Die imperialen Herausforderungen Österreich-Ungarns (1): Expansion

Das Vielvölkerreich Österreich-Ungarn war im „langen 19. Jahrhundert“ die dominierende Macht in Ostmitteleuropa und konnte seine Expansion bis 1912 und sogar im Ersten Weltkrieg fortsetzen. Gleichzeitig wuchsen die Bedrohungen der Doppelmonarchie während des gesamten Zeitraums. Nicht nur Rivalen wie Deutschland, Russland oder das Osmanische Reich bedrängten sie, insbesondere die stetig wachsenden Nationalismen stellten für das Imperium letztlich unlösbare Herausforderungen dar, so dass es im Jahre 1918 implodierte und sich in zahlreiche Nachfolgestaaten auflöste.

Ein von Stephan Lehnstaedt (DHI Warschau) und Wolfram Dornik (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgen-Forschung Graz / Stadtarchiv Graz) 8.-9. Oktober 2015 durchgeführter kleiner Workshop mit Teilnehmern aus fünf Ländern betrachtete zuletzt in Warschau die Expansion des Habsburgerreichs im 19. Jahrhundert sowie die dahinterstehenden Zielsetzungen wirtschaftlicher, militärischer und kolonisatorischer Absicht. Für die zwischen 1867 und 1918 von Österreich-Ungarn besetzten Gebiete konnten dabei unter anderem die Unterschiede zwischen der oft kolonialen oder zumindest quasi-kolonialen Herrschaft auf dem Balkan und derjenigen in Polen und der Ukraine herausgearbeitet werden. Die „Politik der Differenz“ spielte stets eine Rolle, aber gerade während des Ersten Weltkriegs trat sie gegenüber rein wirtschaftlichen, von vorgeblichen oder tatsächlichen Notwendigkeiten diktierten, kurzfristigen Konzepten in den Hintergrund.
Die nach 1914 erfolgte Zentralisierung aller Gewalt in den Händen des Militärs stellte einen Kontrapunkt zur pluralistischen k.u.k.-Herrschaft vor dem Kriegsausbruch dar, was die auch propagandistisch ins Feld geführte Vielfalt der Doppelmonarchie konterkarierte. Erwartungen in politischer und ökonomischer Hinsicht wurden nicht erfüllt, so dass die Geschichte von Besatzern und Besetzten als eine von Enttäuschungen geschrieben werden könnte.
Diese und viele weitere spannende Aspekte habsburgischen Imperialismus sollen auf der 1. Jahreskonferenz der Max Weber Stiftung, in Zusammenarbeit mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgen-Forschung Graz (das auch diesmal schon Kooperationspartner war), vom 14.-16. September 2016 in Warschau vertieft werden. Diese internationale Tagung stellt die Fortsetzung des Workshops dar und firmiert unter dem Titel „Die imperialen Herausforderungen Österreich-Ungarns (2): Nationalismen und rivalisierende Großmächte“, der bereits auf die dann veränderte Perspektive hinweist. Ein Call for Papers erscheint noch 2015.

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