Frankreich und Polen in der Wahrnehmung deutscher Reisender

Gemeinsam mit dem Neriton Verlag und dem Muzeum Historii Polski publiziert das Deutsche Historische Institut in Warschau in seiner Reihe „Klio w Niemczech“ soeben die polnische Ausgabe der Studie „Nicht West-nicht Ost. Frankreich und Polen in der Wahrnehmung deutscher Reisender zwischen 1750 und 1850“ von Bernhard Struck.

Gegenstand der komparativen Untersuchung ist die Art der Wahrnehmung Frankreichs und Polens durch deutsche Reisende in den Jahren 1750-1850. Quellengrundlage sind zahlreiche deutschsprachige Reiseberichte aus dem späten 18. bis Mitte 19. Jahrhunderts.. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht die Analyse der Akteure und Praxis des Reisens, ihre soziale, professionelle und konfessionelle Herkunft. Der Autor konstatiert hier, dass all die Reisenden die Perspektive des städtischen, gebildeten Bürgertums vermitteln, die auf „eine grosse Differenz zwischen dem ihnen bekannten urbanen Herkunfstmilieu und der fremden als unkultiviert und rückständig wahrgenommenen ländlichen Gesellschaft“ hinweisen.
Das zweite Kapitel thematisiert verschiedene Aspekte zu Raum und Verlauf der Reisen. Es werden sowohl Berichte über ländliche Regionen Frankreichs und Polens als auch Portraits der städtischen Kultur aus beiden Ländern (Paris, Warschau, Lemberg, Lyon). Untersucht. Es ist symptomatisch, dass die Beschreibungen über die französische und polnische Provinz  ähnlich negative Beobachtungen über Bauweisen in den Dörfern oder die abergläubige ländliche Bevölkerung und deren schlechte materielle Lage beinhalten. Somit wird hier die Thematik des Verhältnisses zwischen Zentrum und Peripherie angesprochen; in den Augen deutscher Reisender, so Bernhard Struck, „verlief die Trennlinie zwischen Fortschrittlichkeit und Rückständigkeit nicht zwischen Ost und West, sondern primär zwischen Stadt und Land“. In diesem Zusammenhang unterstreicht Struck, dass Ost und West, wie wir sie im heutigen Sprachgebrauch kennen, als geographische, innereuropäische Bezeichnungen bis ca.1800 fast keine Rolle spielten. Vor 1800-1815 positionierte man Polen zusammen mit den skandinavischen Ländern im Norden und Frankreich wurde dem Süden zugeordnet. Der Osten dagegen galt in jener Zeit als Bezeichnung des Orients.
Im dritten Teil wird u.a. gezeigt wie die innerdeutsche Debatte in den 1830er Jahren um Nation und Nationalstaat die nationalen Fremdbilder (Franzosen, Polen) in den Reiseberichten verändert hat. Der Autor analysiert hier u.a. die Begriffe „polnische Wirtschaft“ und warum der frühe Nationalismus jener Jahre viel offensiver gegen Polen gerichtet war als gegen Frankreich. Die Publikation ist mit einem umfangreichen Anhang versehen in dem die untersuchten Reisenden in tabellarischer Form zusammengestellt werden. Der Leser findet dort detaillierte Informationen über ihre Lebensdaten, Ausbildung und Beruf, Reiseziel, ihre Wohnorte und Konfession.
Bernhard Struck, Nie Zachód, nie Wschód [Klio w Niemczech t.18], Warszawa  2012, 311 S.,34 zł, ISBN 978-83-7543-223-7

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