„Gekommen, um zu bleiben“. Festakt zum 25-jährigen Jubiläum des DHI Warschau

Im Mai 2018 feierte das Deutsche Historische Institut Warschau sein 25-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hatte das Institut Partner und Freunde des Instituts zu einem offiziellen Festakt eingeladen.

Die Gästeschar, die sich am 16. Mai in den Räumen des Instituts versammelte, umfasste auch die Direktoren mehrerer Schwesterinstitute, Vertreter der Max Weber Stiftung, unter deren Dach das Institut arbeitet (einschließlich ihres Präsidenten Hans van Ess und ihres Geschäftsführers Harald Rosenbach), Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), aus dessen Mitteln das Institut finanziell getragen wird, sowie zahlreiche Vertreter der polnischen und deutschen Historikerzunft.
Die Gründung des DHI Warschau geht auf einen Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Jan Krzysztof Bielecki vom November 1991 zurück. Beide Seiten betonten darin, dass es ihren Interessen und Wünschen entspreche, in naher Zukunft Forschungseinrichtungen in Deutschland und Polen zu errichten, die sich mit der Erforschung der Geschichte des jeweiligen Nachbarlandes und deren europäischen Bezügen befassen. Neben den bereits bestehenden Deutschen Historischen Instituten in Rom, Paris, London und Washington sollte nun die erste derartige Einrichtung auf dem Gebiet des ehemaligen Ostblocks entstehen. Im Mai 1993 nahm ein fünfköpfiges Team unter Gründungsdirektor Rex Rexheuser die Arbeit im 17. Stock des Warschauer Palastes für Kultur und Wissenschaft auf. Im Juli 1994 organisierte das Institut seine erste öffentliche Veranstaltung. Im Jahr 2002 zog das DHI von seinem ursprünglichen Standort an seinen jetzigen Sitz, das repräsentative Palais Karnicki an der Ujazdowskie-Allee im Zentrum Warschaus.
Den Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten bildete ein Festvortrag von Christoph Bartmann, dem Direktor des Goethe-Instituts Warschau, unter dem Titel „Gekommen, um zu bleiben“. Ausgehend von der Tatsache der „gemeinsamen Vor- und Frühgeschichte“ seines eigenen Instituts und des DHI Warschau, machte sich der Germanist Bartmann – im Nebenfach Historiker – dem Untertitel seines Vortrags gemäß „einige Gedanken zu Gründung und Bestand von Instituten“, speziell von kulturellen und wissenschaftlichen Auslandsinstituten wie den Goethe-Instituten oder den Deutschen Geisteswissenschaftlichen Instituten im Ausland, zu denen das DHI Warschau zählt. In seiner Betrachtung des „richtige[n] Verhältnis[ses] von Stabilität und Dynamik“ in Auslandsinstituten streifte Bartmann, nicht ohne Ironie, Aspekte wie „die Frage nach ,Projekt‘ versus ,Präsenz‘“, sprach vom Glück der Deutschen Historischen Institute, „von Schließungsszenarien, Kürzungsdebatten und Effizienzdiskursen eher verschont geblieben“ zu sein, der „produktiv[en] Unruhe, mit der Institute wie unsere heutzutage gerne und oft ,auf den Prüfstand‘ gerufen werden“, aber auch dem „eigenen Wunsch, sich […] ab und zu neu erfinden“.
Der Direktor des DHI Warschau Miloš Řezník betonte in seinem vorangehenden Grußwort, Leitung und Mitarbeiter/innen des Instituts betrachteten dessen 25-jähriges Jubiläum als Gelegenheit, sich „darüber zu freuen, […] dass wir mit zahlreichen Partnern sinnvolle Forschungen und Veranstaltungen zustande bringen und dass man immer noch versteht, dass eine echte Internationalisierung der Forschung dauerhafte Strukturen und Infrastrukturen zur Nachhaltigkeit benötigt“. Zugleich aber stelle sich das Institut immer wieder die Frage nach dem Sinn der eigenen Tätigkeit: „Nicht, weil wir über diesen Sinn grundsätzliche Zweifel hätten, sondern weil sich diese Frage mit der überstürzten Entwicklung der instabilen Welt stets vom Neuen und in immer neuen Kontexten stellt.“ Řezník hob hervor, die aktuellen Entwicklungen im geschichtspolitischen, geschichtsdiskursiven und wissenschaftspolitischen Kontext zeigten, „wie naiv es gewesen wäre zu denken, dass die Relevanz der europäischen Institute der Max Weber Stiftung nur im Geringsten nachgelassen hätte“. In der heutigen Zeit sei auch die Geschichtswissenschaft gefragt, auf eine Entwicklung zu reagieren, in der „die Freiheit zur Wahrheitsaushandlung ohne Bindung an wissenschaftliche oder faktische Evidenz zu beliebigen Zielen gebraucht“ werde. Eine noch schwerwiegendere Herausforderung für die Geisteswissenschaften sei jedoch ihre neoliberal-politische Indienstnahme, ihre Unterwerfung unter die „ökonomischen, der Wissenschaft völlig systemfremden Kategorien des Wachstums, der Effizienz, der Nützlichkeit, der Selbsthilfe, der Konkurrenzfähigkeit und der Parametrisierung“. Der Gesandte der Deutschen Botschaft Warschau Manfred Huterer wiederum betonte in seinen begrüßenden Worten, dass der historische Dialog, wie er vom Deutschen Historischen Institut bei vielen Gelegenheiten initiiert werde, unverzichtbar sei, „um zur Verständigung beizutragen, um Lehren zu ziehen, um unsere gemeinsame Zukunft in einem geeinten Europa zu gestalten“. Unter anderem hob er insbesondere das Engagement des DHI Warschau in der Holocaust-Forschung hervor. Strategisch werde es als nächstes auch darum gehen, die Rolle des DHI in den Digital Humanities und in der modernen Wissenschaftskommunikation auszubauen.
Verlesen wurden zudem ein Grußwort des Vorsitzenden des Polnischen Historikerverbandes (Polskie Towarzystwo Historyczne) Krzysztof Mikulski, der nicht anwesend sein konnte.
Für den zweiten, geselligen Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten begab sich die Festgemeinde in das Restaurant „Villa Foksal“, um den Anlass des Zusammenseins im Rahmen eines Buffetsempfangs, musikalisch untermalt durch das „Jean-Pierre-Froehly Diplomatic Trio“, bis in die Abendstunden hinein im angeregten Gespräch mit alten und neuen Freunden und Bekannten zu feiern.
Teil des Jubiläumsprogramms sind auch die „Dienstagsvorträge“ des DHI Warschau im ersten Halbjahr 2018, zu denen eine Reihe ehemaliger und amtierender Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats eingeladen wurde.

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