Politische Entscheidungsfindung im Mittelalter

Als Band 24 seiner im Harrassowitz-Verlag erscheinenden Publikationsreihe Quellen und Studien legt das Deutsche Historische Institut Warschau einen Sammelband mit innovativen Beiträgen über die „Ritualisierung politischer Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter“ vor.

Der von dem Warschauer Mediävisten Wojciech Fałkowski zusammen mit den Heidelberger Mittelalterforschern Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter herausgegebene Sammelband beinhaltet 16 Beiträge deutscher und polnischer Historiker über das Phänomen der „politischen Entscheidungsfindung“ und deren Rituale im Vergleich zwischen Polen und dem Reich im hohen und späten Mittelalter. Die Aufsätze gehen auf Vorträge zurück, die im Mai 2008 im Rahmen der 2. deutsch-polnischen Mediävistentagung gehalten wurden, die gemeinsam vom Polnischen Mediävistenverband, der Universität Heidelberg und dem Deutschen Historischen Institut Warschau in Speyer durchgeführt wurde.

Im Zentrum des mit "Einleitenden Bemerkungen" von Wojciech Fałkowski und einem Überblick Klaus Ziemers über "Polens Selbstverständnis aus seiner Geschichte" eingeführten Bandes stehen Phasen und Formen des „political decision making“ sowie die Instrumente zu deren Durchsetzung und Verfestigung. Der besondere Blick wird dabei auf die Rolle von Ritualen bei diesen Vorgängen gerichtet. Ein Teil der Beiträge untersucht unter den Stichworten „Königsherrschaft“ und „Fürstliche Herrschaft“ die politische Willensbildung am Beispiel der involvierten Akteure, d.h. mit Blick auf das Verhältnis zwischen König und Fürsten im Reich und Frankreich (Gerd Althoff, Martin Kintzinger, Gerald Schwedler) sowie im piastischen Polen, für das Antoni Barciak, Zbigniew Dalewski und Tomasz Jurek die Herzogserhebungen (Inaugurationen) für die Legitimierung herzoglicher Herrschaft im 12. und 13. Jahrhundert sowie die Rolle des polnischen Adels als Mitträger des politischen Ordnungsgefüges analysieren. In einem dritten Kapitel erörtern Robert Gramsch und Krzysztof Ożóg Machtmechanismen an mittelalterlichen Universitäten und deren relevanten Anteil am öffentlichen Leben. Aspekten der politischen Entscheidungsfindung innerhalb der mittelalterlichen Städte bzw. der Frage nach der Herausbildung städtischer Entscheidungsgremien gehen Henryk Samsonowicz und Peter Schuster nach, während Andrzej Radzimiński, Jörg Sonntag und Thomas Wünsch das Verhältnis von Ritual und Politik bzw. die Rituale der Entscheidungsfindung innerhalb kirchlicher Institutionen (Klöstern, Orden, Synoden) thematisieren. Der von Stefan Weinfurter resümierte Band leistet insgesamt aus seiner spezifischen deutsch-polnischen Perspektive einen interessanten Beitrag zur mediävistischen Ritualforschung.

Ritualisierung politischer Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter hrsg. von Wojciech Fałkowski, Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter, Wiesbaden 2010, 275 S.,  EUR 38,- , ISBN 978-3-447-06389-0

22
Apr
Tagung
Workshop „Infrastructures of Memory. Actants of Globalisation and their Impact on German and Polish Memory Culture”
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