Prof. Dr. Eva Schlotheuber (Düsseldorf): Eine unmögliche Mission. Die Reise Karls IV. zur Kaiserkrönung nach Italien 1354/1355 im Spiegel der Briefe des Staatsmannes und Humanisten Niccolò Acciaioli

Die Mitte des 14. Jahrhunderts war eine Zeit des Umbruchs und des Machtkampfes zwischen Papsttum und Kaisertum. Die Zukunft eines römisch-deutschen Kaisers stand auf Messers Schneide. Zentrale Figur, die über Krieg und Frieden im herrschenden Machtvakuum entscheiden konnte, war Karl, römisch-deutscher und böhmischer König, der 1354 mit einem Heer nach Italien zog, um schließlich dort von Papst Innozenz VI. zum Kaiser gekrönt zu werden.

In sein strategisches Taktieren, seine Anpassungs- und Hinhaltepolitik sowie die diplomatischen Netzwerke der rivalisierenden italienischen Fürstentümer, Städte und der Kurie führte Eva Schlotheuber in ihrem Vortrag. Sie ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Vorsitzende des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands. Welche Ideen Karl verfolgte, stellte sie vor allem aus der Perspektive seiner Gegenspieler dar, die seiner Ankunft in Italien beunruhigt entgegensahen. Anhand im Jahr 2016 neu aufgefundener Briefe des Seneschalls des Königreichs von Neapel, Niccolò Acciaioli (1310–1365), der eng mit Humanisten wie Boccaccio oder Petrarca befreundet war, schilderte die Referentin anschaulich die Spekulationen, wechselnden Bündnislagen und Partikularinteressen der Beteiligten. Sie stellte dar, wie es Karl IV. gelang, durch seinen Verzicht auf weltliche Rechte im Kirchenstaat zugleich die Kaiserrechte im römisch-deutschen Reich zu bekräftigen und die Zuständigkeiten auch räumlich dauerhaft zu entzerren.

Im anschließenden Dialog mit dem Publikum wurden die immense Bedeutung der erhaltenen brieflichen Zeugnisse für die Forschung hervorgehoben, die Bedeutung Karls IV. für (Ostmittel-)Europa diskutiert (Goldene Bulle, Herrschaft in Böhmen) sowie die Frage von Bestechungsgeldern und Territorienverpfändungen diskutiert. Es wurde überdies deutlich, dass Karl IV. einen – für die Zeitgenossen gewöhnungsbedürftigen – neuen Herrschertypus verkörperte, der weniger strahlender Kriegsheld als geschickter hintergründiger Taktiker war.

Frau Professor Schlotheuber, die derzeit eine Edition der unbekannten Korrespondenz Acciaiolis vorbereitet, ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des DHI Warschau. Ihr Vortrag am 12. Juni 2018 bildete den Abschluss der Dienstagsvorträge im ersten Halbjahr 2018, die anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Instituts ehemaligen und aktuellen Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats gewidmet waren.

04
Apr
Ausstellung
Bilder des Krieges: Fotoausstellung „Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw“ in Jena
Mehr lesen