Workshop am DHI Warschau zu deutsch-polnischen Perspektiven in der Kunstgeschichte seit 1945

Unter dem Titel „Verflechtung und Abgrenzung. Deutsch-polnische Perspektiven in der Kunstgeschichte seit 1945“ veranstaltete das DHI Warschau vom 16. bis 17. November 2017 gemeinsam mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) München einen Workshop. Ausgehend vom Konzept der „Histoire croisée“ (Verflechtungsgeschichte) setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Ziel, verbindende und trennende Aspekte der Kunstgeschichte in Polen und Deutschland zu analysieren, wobei der Fokus auf dem 20. und 21. Jahrhundert lag. Gleichzeitig sollte überprüft werden, inwieweit sich die Konzeption der „Histoire croisée“ für eine solche Analyse eignet, und nach neuen methodischen und theoretischen Ansätzen gesucht werden. 

Nach der thematischen und methodischen Einführung durch die Organisatorinnen Annika Wienert (Warschau) und Regina Wenninger (München) widmete sich das erste von drei Panels Fragen von „Verflechtung, Netzwerk, Struktur“. Jeannine Harder (Hannover) befasste sich mit der „Polnischen Schule der Plakatkunst“ im internationalen Kontext. Magdalena Kamińska (Berlin/Frankfurt (Oder)) referierte über Innovationen in Polens Wohnungsbau der 1970er Jahre und schilderte sie als eine Geschichte von Zusammenarbeit und Abgrenzung innerhalb des Struktur-Akteurs-Konzepts. 

Das zweite Panel, das unter dem Motto „Kunst(ausstellungen): An, über und gegen Grenzen“ stand, eröffnete Gabriela Świtek (Warschau) mit einem Referat über die Heartfield/Herzfeld-Ausstellung in Warschau 1964 als Beispiel für eine Berührung von Kunstgeschichte und politischer Geschichte. Stanisław Welbel (Warschau) illustrierte in seinem Vortrag die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Polen und der DDR am Beispiel der Ausstellungen von Käthe Kollwitz und Otto Nagel, während Angelika Weißbach (Beeskow) in ihrem Referat über Künstler/innen aus der DDR auf der internationalen Biennale der Grafik in Krakau aufzeigte, dass diese als Forum des Austauschs und der Förderung von Künstlern und Künstlerinnen fungierte, deren Kunstwerke in der DDR nicht ausgestellt wurden. 

Den Abschluss des ersten Veranstaltungstages bzw. den Beginn des zweiten markierten je ein Keynote-Vortrag von Marta Smolińska (Posen) und Nawojka Cieślińska-Lobkowicz (Warschau/Starnberg) über „Deutsch-polnische künstlerische und kuratorische Perspektiven auf eine gemeinsame Grenze“ bzw. über „Raubkunst und sogenannte Beutekunst, Provenienzrecherche – getrennt oder gemeinsam?“.

Im anschließenden dritten Panel „Neubewertungen: Kulturerbe und Architektur“ referierte Aleksandra Paradowska (Breslau) über Wohnsiedlungen in der Umgebung von Posen, die unter der deutschen Besatzung in großer Zahl im damaligen Warthegau entstanden waren. Julia Röttjer (Darmstadt) referierte über polnisch-deutsche Kooperationen im Bereich der internationalen Denkmalpflege und verwies dabei u.a. auf die unterschiedlichen Entwicklungen und Schwerpunkte der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Polen und der DDR bzw. der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich untersuchte Florian Urban (Glasgow) die polnische postmoderne Architektur im internationalen Spannungsfeld.

In der Abschlussdiskussion bilanzierten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, dass die „Histoire croisée“ bei weitem kein Dogma darstellen dürfe, sondern offen für Modifikationen und neue Konzepte sein müsse. Als anschlussfähig und fruchtbar wurde allerdings u.a. die Anregung der Histoire croisée betrachtet, den Fokus über bilaterale Beziehungen hinaus verstärkt auf internationale Verflechtungen zu richten. Auch die polnisch-deutschen Verflechtungen in der Kunstgeschichte nach 1945 sind vielfach in größeren transnationalen Zusammenhängen zu sehen.

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