15. Lelewel-Gespräch versammelte Experten zum Thema des heutigen Umgangs mit dem architektonischen Erbe der frühen Neuzeit

Über Jahrhunderte hinweg haben sich Schlösser und Herrenhäuser als kulturelles Erbe etabliert. Der Umgang mit ihnen sowie ihren zu unterschiedlichen Graden erhaltenen Baukörpern, Ausstattungen und Kunstsammlungen gestaltet sich jedoch von Fall zu Fall anders. Besonders kompliziert wird die Kontextualisierung und Vermittlung als kulturelles Erbe bei Schlössern in Regionen, die von territorialen Verschiebungen betroffen waren, so zum Beispiel in Preußen oder Schlesien. Hier stößt man noch häufiger auf das Problem zerstörter Gebäude und dislozierter Kunstgegenstände, die den Verlust des ursprünglichen Kontextes manifestieren. Das 15. Lelewel-Gespräch des DHI Warschau am 6. Dezember 2017 widmete sich diesem Thema unter dem Titel „Schloss ohne Sammlung – Sammlung ohne Schloss: Zum heutigen Umgang mit dem architektonischen Erbe der frühen Neuzeit“. Es diskutierten die Kulturhistoriker Kilian Heck, Tomasz Torbus und Samuel Wittwer. Moderiert wurde das Gespräch von Sabine Jagodzinski (DHI Warschau).

Im Zentrum der Diskussion standen Fragen und Lösungsansätze, die die Bewahrung und Präsentation von nur noch in Teilen erhaltenen und dekontextualisierten Bauten, Ausstattungen und Sammlungen betrafen: Was spricht – abgesehen vom Erhaltungszustand oder dem Umstand der Verluste – für oder gegen die reine Erhaltung, die behutsame Konservierung oder die teilweise beziehungsweise vollständige Rekonstruktion der beschädigten baulichen Hülle? Wie können erhaltene, rekonstruierte oder komplett neue Raum-Objekt-Bezüge der Öffentlichkeit vermittelt werden? Die Referate wie auch die Diskussion der Referenten und des Publikums kreisten um den Begriff der Authentizität, der im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Konjunktur und eine Erweiterung von der Originalität hin zur beglaubigenden Authentisierung erfahren hat. Die Diskutanten einigten sich darauf, dass die Suggestionskraft von Objekten als „authentisch“ besonders von der Schlossumgebung, also vom Ort bzw. Raum bestimmt würde. Eine Gefahr – insbesondere im Falle ahistorisch rekonstruierter Bauwerke – stellt jedoch die mit der Zeit unweigerlich eintretende Verwischung der Wahrnehmung von Original und Kopie dar, infolge derer falsche Vorstellungen tradiert werden können. Weiteres Thema waren die Möglichkeiten und Risiken der virtuellen Rekonstruktion von Baudenkmälern und ihrer Inventare. Das Panel kam zu dem Ergebnis, dass der Ausgleich zwischen dem Wunsch, der materiellen und historischen Qualität des Originals gerecht zu werden, und dem Reiz, die zur Verfügung stehenden Visualisierungs- und Forschungsmöglichkeiten mittels digitaler Reproduktion zu nutzen,in den kommenden Jahren eine zentrale Fragestellung für Museen und Kunsthistoriker bleiben werde. Der denkmalpflegerische Schutz des Erhaltenen und die Vermittlung eines diesbezüglichen Bewusstseins als eine Grundaufgabe des Fachs dürfe jedoch nicht in den Hintergrund treten.

04
Apr
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