In seinem Vortrag schilderte North die Ostseeregion als multiethnischen und im Laufe der Jahrhunderte von zahlreichen Akteuren immer wieder neu konstituierten und beschriebenen Raum. Er beschrieb die sich im Laufe der Zeit wechselnden Wahrnehmungen dieses Raumes, aber auch die sich wandelnden Beziehungen der Bewohner untereinander. Die im 11. Jahrhundert durch Adam von Bremen erstmals mit dem Terminus „mare Balticum“ belegte Missionsregion wurde ab dem 13. Jahrhundert zunehmend als Pilger- und Handelsregion öffentlich wahrgenommen. In der frühen Neuzeit wurde der Ostseeraum vor allem als Ort ökonomischer und militärischer Interessen der Anrainerstaaten definiert. Ab dem 19. Jahrhundert wuchs das wissenschaftliche Interesse an der Ostseeregion. 1925 wurde in Thorn (Toruń) das Instytut Bałtycki gegründet, das sich die Erforschung dieser Region – frei vom Einfluss der Großmächte Russland und Deutschland – zur Aufgabe machte. Gleichzeitig gab es vermehrte Bestrebungen, eine gemeinsame „Ostsee-Identität“ der umliegenden Staaten zu konzipieren. In den 1980er Jahren wurde der nach dem Zweiten Weltkrieg etwa aus dem Fokus der internationalen Politik geratene Ostseeraum „wiederentdeckt“. Die Konsequenzen waren der 1992 gegründete Ostseerat, der regionale Kooperationen intensivieren soll, und die Ostseestrategie der Europäischen Union von 2009, die den Raum als Modell- und Zukunftsregion fördern will.
Am Ende seines Vortrags gab North Anregungen für weiterführende Forschungen, etwa zu einem transregionalen Vergleich maritimer und binnenländischer Regionen oder auch zu einer komparativen Erforschung der Rolle von Hafenstädten auf europäischer und weltweiter Ebene.
Dienstagsvortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Michael North: Der Ostseeraum – Konstitution und Neuerfindung einer Region
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