Präsentation des Buches von Prof. Harald Welzer: "Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden"

Buchvorstellung

Do. 20.05.2010 | 18:00 -
Do. 20.05.2010 | 20:00 Uhr
Warschau

Im Rahmen der 55. Internationalen Warschauer Buchmesse veranstaltet das Deutsche Historische Institut in Warschau zusammen mit dem Verlag SCHOLAR und der S. Fischer Stiftung eine Podiumsdiskussion mit Harald Welzer, Włodzimierz Borodziej und Jürgen Hensel. Anlass ist das Erscheinen der polnischen Ausgabe des Buches von Harald Welzer „Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“ in der Reihe zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur KROKI/SCHRITTE.

Harald Welzer hat sich eingehend mit einem der wohl schwierigsten Themen der jüngeren Gewalt- und Holocaustforschung beschäftigt: Was geht in den Köpfen von Männern vor, die in den Reihen organisierter Spezialeinheiten Massenmorde an Zivilisten verüben? Diese Frage wurde aus historischer Perspektive Mitte der 1990er Jahre bereits von Christopher Browning und Daniel Jonah Goldhagen anhand der Judenmorde des Reserve-Polizeibataillons 101 im besetzten Polen ab 1942 behandelt. Zwei Interpretationen standen sich dabei scheinbar diametral gegenüber: Während Browning vor allem situative Aspekte betonte – die Brutalisierung des Krieges, der Gruppenzwang, die Angst vor Strafe oder Benachteiligung bei Befehlsverweigerung – führte Goldhagen das Handeln der Täter vor allem auf deren Hass gegen Juden zurück. Der Sozialpsychologe Harald Welzer verbindet in seinem Buch diese Ansätze, geht aber weit darüber hinaus: Anhand der Aussagen ehemaliger Täter zeichnet er die Bedingungen ihres Einsatzes ebenso nach wie die Weltanschauung, die sie miteinander teilten. Es gelingt ihm damit der Nachweis, dass sie einerseits ihr Mordhandwerk als anstrengende und sie belastende, aber eben auch als notwendige „Arbeit“ begriffen, die sie anhand ihrer rassistischen Ansichten zur Tatzeit gegenüber sich selber und später gegenüber den Strafverfolgungsbehörden legitimierten und dabei sogar für Verständnis für ihre damalige schwierige Lage warben. Das Töten war nur möglich in einer verschobenen und pervertierten Sicht auf eine Welt, in der Gut und Böse neu definiert wurden und der sich die Täter als Kollektiv angehörig fühlten. Es überrascht nicht, dass die Opfer in ihren Erinnerungen allenfalls als diffuse Masse in Erscheinung treten.

Harald Welzer öffnet die Perspektive aber noch weiter, indem er sein Erklärungsmodell nicht nur auf den Einsatz deutscher Polizeibataillone in der UDSSR ab 1941, sondern auch auf Schauplätze späterer Genozide wie Vietnam, Ruanda und Jugoslawien richtet. Ob sich seine Annäherung an die Psyche der Täter auf diese Weise verallgemeinern lässt – das dürfte eine der spannenden Fragen sein, die auf der Podiumsdiskussion anlässlich der Publikation des Buches „Täter“ in Polen mit dem Autor sowie mit dem Zeithistoriker Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej und der Anthropologin Prof. Dr. Joanna Tokarska-Bakir (beide Universität Warschau) zu erörtern sind. Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Jochen Böhler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Gewalt und Fremdherrschaft im Zeitalter der Extreme“ des Deutschen Historischen Instituts Warschau

 

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