Prof. Dr. Jörg Baberowski: "Macht und Staatsbildung im sowjetischen Imperium"

Vortrag

Di. 10.12.2013 | 18:00 -
Di. 10.12.2013 | 20:00 Uhr
Warschau

Als die Bolschewiki die Macht ergriffen, hatten sie nichts als ihre Waffen, um sich gegen Widerstand durchzusetzen. Das bolschewistische Projekt war von Anfang an auf Gewalt gegründet, weil es ihm an Durchsetzungskraft fehlte. Aus Macht kann Herrschaft erst werden, wenn nicht mehr erzwungen werden muss, was die Befehlshaber von den Untertanen erwarten. Deshalb war der sowjetische Staatsbildungsprozess vor allem ein Versuch, die Macht in die Köpfe und Körper der Untertanen zu bringen: durch neue Feste und Feiern, durch Indigenisierung und die Standardisierung von Sprache und Ritual. Millionen sprechen die Sprache des Regimes, aber alle wussten, dass sich hinter der Maske Anderes verbarg. Es war das Dilemma des Regimes, dass es Gehorsam erzwingen konnte, aber keine Loyalität. Deshalb griff das Regime immer dann, wenn es seine Macht bedroht sah, auf exzessive Gewalt zurück. Gewalt war am Ende die einzige Machtressource, die die Herrschenden zu ihrer Verfügung hatten. Für den Erhalt dieser Macht stellten sie ideologische Ziele zur Disposition. Erst in den 50er und 60er Jahren verwandelte sich Macht in Herrschaft, als das Regime Loyalität ohne Anwendung von Gewalt erzwingen konnte und die imperiale Elite wusste, was von ihr erwartet wurde. Man könnte auch sagen, dass der imperiale Staatsbildungsprozess erst in den 50er Jahren zu einem Ende gekommen war.

Jörg Baberowski (geb. 1961) ist seit 2002 Professor für Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor - Assistent am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Universität Tübingen; 2001/2002 nahm er die Vertretung des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der Universität Leipzig war. Zu  seinen zahlreichen Publikationen gehören: „Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt“, München 2012 (3. Aufl.), „Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault“, München 2005 (2. Aufl. München 2013), „Zivilisation der Gewalt. Die kulturellen Ursprünge des Stalinismus“, Berlin 2005, „Gewalträume. Soziale Ordnungen im Ausnahmezustand“ (gemeinsam mit Gabriele Metzler), Frankfurt am Main

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