Seit dem 18. Oktober 2024 ist die Ausstellung Allmachtsphantasien. Architektur und Alltag unter deutscher Besatzung im Kulturzentrum Zamek in Poznań zu besichtigen. Sie bietet eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Planungs- und Bautätigkeit während der nationalsozialistischen Besatzung sowie mit der Lebenswelt verschiedener Bevölkerungsgruppen. Anhand des Reichsgaus Wartheland werden im ehemaligen Residenzschloss Posen die unterschiedlichen Perspektiven der deutschen Besatzer und der besetzten einheimischen Gesellschaft aufgezeigt. Auf diese Weise werden die gegensätzlichen Erfahrungen und Lebensrealitäten beider Seiten eindrücklich sichtbar. Der Ausstellung liegt ein Verständnis von Architektur- und Planungsgeschichte zugrunde, das nicht nur Entwürfe, Pläne und Bauten berücksichtigt, sondern auch danach fragt, welche Folgen dies alles für die Betroffenen hatte. Schließlich war die Planungs- und Bautätigkeit der Nationalsozialisten ein zentrales Element der Besatzungspolitik und schlug sich unmittelbar auf die Lebensumstände und Überlebensmöglichkeiten der gesamten Besatzungsgesellschaft nieder. Damit vermittelt die Ausstellung aktuelle Forschungsergebnisse aus Geschichte und Kunstgeschichte an eine breitere Öffentlichkeit. Eine eigens für diesen Anlass entwickelten Installation der Künstlerin Iza Tarasewicz ergänzt die historische Ausstellung und lädt zur Reflektion der Gegenwart ein.
Die Ausstellung ist Höhepunkt der seit Jahren bestehenden intensiven Zusammenarbeit zwischen dem DHI Warschau und der Kuratorin Aleksandra Paradowska. Eines der früheren Ergebnisse dieser Kooperation war die Übersetzung des Grundlagenwerks Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939–1945 von Niels Gutschow (polnische Fassung: Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939–1945, Warszawa 2021). Zur inhaltlichen und konzeptionellen Ausgestaltung der Ausstellung leisteten Annika Wienert und Christhardt Henschel wichtige Beiträge. Gemeinsam mit dem CK Zamek gelang es zudem, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit für die finanzielle Unterstützung des Projekts zu gewinnen. Ohne diese Mittel wäre die Ausstellung nicht realisierbar gewesen.
Im Rahmen der Ausstellung findet ein reichhaltiges Begleitprogramm statt. Darunter findet sich beispielsweise eine Podiumsdiskussion zum Thema Zeugnis – Bürde – Fetisch? NS-Architektur ausstellen | Źródło wiedzy – Obciążenie – Fetysz? Nazistowska architektura na wystawie am 7. Dezember 2024, an der Michał Duda (Breslau), Hanna Grzeszczuk-Brendel (Posen), Rafał Wnuk (Danzig) und Alexa Stiller (Zürich/Jena) teilnehmen. Zudem ist ein Katalog in Arbeit, der unter anderem wissenschaftliche Beiträge von Aleksandra Paradowska, Annika Wienert, Marcin Przegiętka und Christhardt Henschel enthält. Die Publikation wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Stiftung Kritische Kunst- und Kulturwissenschaften.