Heute vor 80. Jahren trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft. Für Deutschland ist der 8. Mai ein bedeutender Gedenktag, der auch als Tag der Befreiung verstanden wird. Die Perspektive Polens auf dieses Datum ist indes weniger eindeutig. Einerseits markiert die deutsche Kapitulation das endgültige Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, andererseits befand sich Polen für die nächsten Jahrzehnte im sowjetischen Machtbereich. Das zog nicht nur enorme Grenz- und Bevölkerungsverschiebungen und einen Mangel staatlicher Souveränität nach sich. Die neuen Machthaber gründeten ihr Regime auf Gewalt, dem abertausende polnische Bürgerinnen und Bürger zum Opfer fielen.
Am Deutschen Historischen Institut Warschau beschäftigen wir uns eingehend mit den Themen „Macht“, „Unterdrückung“ und „Gewaltherrschaft“. Wir analysieren Formen, Praktiken und Manifestationen von Gewalt staatlicher und nichtstaatlicher Akteure.
Ein wichtiger Aspekt von Gewaltgeschichte ist auch deren Auswirkung darauf, wie wir heute an die Vergangenheit erinnern. In unserem Forschungsschwerpunkt „Erinnerungskultur“ gehen wir der Frage nach, wie solch einschneidende Gewalterfahrungen wie der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzung das kollektive Gedächtnis in den ostmitteleuropäischen Gesellschaften prägen und welche Auswirkungen dies auf das Verständnis von Geschichte hat.
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Das DHI Warschau hat anlässlich des 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs die Reihe der Dienstagsvorträge unter das Leitthema 1944/1945: Kriegsenden in Ostmitteleuropa. In Kooperation mit dem Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig präsentierten namhafte Historikerinnen und Historiker ihre aktuellen Forschungen. Die internationalen Gäste widmeten sich dabei nicht nur den den historischen Ereignissen, sondern den Nachwirkungen der Kriegserfahrungen innerhalb der heutigen Gesellschaften. Die Mitschnitte der Vorträge sind ab sofort auf unserem Youtube-Kanal verfügbar:
- Prof. Rafał Wnuk: Nieoczywisty koniec wojny. Podziemie antykomunistyczne w Europie Środkowo-Wschodniej (auf Polnisch mit englischen Untertiteln)
- Prof. Benjamin Lahusen: The administration of Normality. German Law and German Society, 1943-1948 (auf Englisch)
- Prof. Elizabeth Harvey: Domesticating conquest: German womenand the Nazi empire from expansion to defeat (auf Englisch)
- Prof. Bastiaan Willems: Life and Death in East Prussia, 1944-1945 (auf Englisch)
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Vom 18. Oktober 2024 bis 9. Februar 2025 präsentierte das CK Zamek in Poznań die Ausstellung „Allmachtsphantasien. Architektur und Alltag unter deutscher Besatzung“, die unter Mitwirkung unserer Mitarbeiter:innen Dr. Annika Wienert und Dr. Christhardt Henschel entstand. Der Katalog ist hier erhältlich.
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Die Max Weber Stiftung und ihre weltweit agierenden Institute begleiten den erinnerungspolitischen Diskurs zum Zweiten Weltkrieg aus wissenschaftlicher Perspektive. Auf dem Themenportal „The Ends of War“, finden Sie Veranstaltungshinweise, Projektinformationen, Podcasts und Publikationen, die unterschiedliche Betrachtungsweisen und Chronologien zum Ausgang des Krieges herausarbeiten.
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Zu den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs hat die Max Weber Stiftung eine dreiteilige Podcast-Reihe herausgebracht. Darin beleuchten Wissenschaftler:innen der Max Weber Stiftung verschiedene regionale Aspekte des Endes des Zweiten Weltkriegs: Welche Flucht- und Migrationsbewegungen prägten die Nachkriegszeit? Wie wird in Ägypten oder in Japan an das Kriegsende erinnert? Und welche verschlungenen Wege nahmen jüdische Ritualobjekte während und nach dem Krieg?
Über Vergessene Orte des Holocausts und geraubte jüdische Ritualobjekte spricht unsere Direktorin Prof. Magdalena Saryusz-Wolska in Folge Eins. Sie erklärt, wie heute in Polen an Orte von Massenerschießungen erinnert wird und welche Rolle jüdische Ritualobjekte für das Kulturerbe spielen.
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Bei dieser Gelegenheit möchten wir auch noch einmal auf unsere aktuelle Veranstaltung hinweisen: Heute, am 8. Mai 2025 heißen wir die polnische Buchautorin Prof. Karolina Ćwiek-Rogalska („Ziemie. Historie odzyskiwania i utraty”) in unserer Bibliothek willkommen. Auch hier geht es um eine der Kriegsfolgen, nämlich die Besiedlung der polnischen West- und Nordgebiete nach 1945 und den Umgang mit den vorgefundenen Spuren und Hinterlassenschaften von deren vormaligen deutschen Bewohnerinnen . Die Diskussion findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Biblioteka NIH - tu się rozmawia” statt. Wir laden herzlich zur Diskussion ein.