CfP: Die Geburt der Klinik

Die Geburt der Klinik: Krankenhäuser und Institutionalisierung der Gesundheitsfürsorge in Ostmitteleuropa, 1784-1914

Die Konferenz wird gemeinsam vom Deutschen Historischen Institut Warschau, dem Institut für Tschechische Geschichte und der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität organisiert und findet vom 22.–24. Juni 2023 in Prag statt.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts sind die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spitäler verschwunden, die alten, obdachlosen oder behinderten Menschen sowie sog. „Geisteskranken“ Zuflucht boten. Krankenhäuser, die der Absonderung und Eindämmung von Pest und Lepra gedient hatten, wurden in Kliniken nach Leidener Vorbild umgewandelt. Mit dem Wandel begann auch die Medikalisierung des menschlichen Lebens und die Institutionalisierung der Gesundheitsfürsorge. Die Gesundheit der Bevölkerung wurde zum Gegenstand amtlicher und wissenschaftlicher Untersuchungen. Staatliche Behörden führten gesundheitliche Überwachungen und medizinische Kontrollen breiter Bevölkerungsschichten ein, sie bestimmten pathologische, gefährliche oder inakzeptable Handlungsweisen und definierten entsprechende Verhaltensmuster. Das Bestreben des Staates, die Produktivität und das Wohlbefinden der Menschen zu maximieren, ging mit Disziplinierung und Moralisierung einher. Im Interesse des Staates und des Einzelnen sollten Kranke so schnell wie möglich in den Wirtschafts- und Arbeitsprozess zurückkehren. Ärzte und Gesundheitspersonal begannen, sich gegen die „abergläubische“ ländliche Kultur auszusprechen. Krankheiten und Infektionen wurden zu einem politischen Thema und der menschliche Körper zu einem politisierten Objekt. Die Gesundheitsfürsorge verlagerte sich von den Häusern der Patientinnen und Patienten in die Krankenhäuser, was zur Sicherung des Wohlstands und zur Vergrößerung des Volksvermögens beitragen sollte.

Während die allgemeine Idee in vielerlei Hinsicht richtig sein mag, sollte hinzugefügt werden, dass es sich dabei nicht um ein einmaliges Ereignis handelte, sondern mehr um eine Entwicklung, die mehr als anderthalb Jahrhunderten andauerte. Außerdem war sie nicht der einzig mögliche Weg und setzte sich nicht immer und überall durch. Sie existierte neben anderen Formen der Gesundheitsversorgung wie der familiären oder gemeindebasierten Pflege oder der Natur- und Volksheilkunde.

Ziel der Konferenz ist es daher, nicht nur den Aufstieg der Kliniken zu diskutieren und zu analysieren, inwieweit Kliniken zu Veränderungen der medizinischen Versorgung in den größten Stadt- und Universitätszentren beigetrugen, sondern auch zu versuchen, verschiedene Modelle von Krankenhäusern und Gesundheitsfürsorge zu untersuchen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts an verschiedenen Orten in Ostmitteleuropa entstanden.

Laut Michel de Certeau manifestierten sich medizinische Strategien an bestimmten Orten (z. B. in der Arztpraxis oder im Krankenhaus), Behandlungskonzepte und -taktiken jedoch in einem unbegrenzten Raum. Daher zielt die Konferenz darauf ab, sich mit der Geschichte von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen in einem breiteren räumlichen und zeitlichen Rahmen zu befassen. Spielte die Geographie bei den auftretenden Unterschieden zwischen Gesundheitseinrichtungen eine Rolle? Wie wurden Krankenhäuser strukturiert? Wie sah die Anordnung von Krankenhäusern, Orten und Räumen der Gesundheitsversorgung aus? Wurden Patientinnen und Patienten nach Krankheit, Klasse, Status, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Alter getrennt?

Die Konferenz wirft zudem die Frage auf, welche Krankenhaustypen es gab und wie sie sich veränderten. Wurden sie mit staatlicher, öffentlicher oder privater Unterstützung verbunden oder vereinten sie all diese? Hat sich das Gesundheitswesen, wie vielfach behauptet wurde, an einem Modell industrieller Produktion und Unternehmensführung orientiert? In welcher Beziehung standen Krankenhäuser und nicht-institutionelle Gesundheitsfürsorge? Welche Konflikte, Parallelen oder Zusammenhänge wurden erzeugt?

Besonders erwünscht sind Beiträge zur historischen Untersuchung von Gesundheitsfürsorge und zur (Mikro-)Geschichte von kirchlichen, privaten, kommunalen und öffentlichen Krankenhäusern, Entbindungskliniken oder Einrichtungen für psychisch Kranke in der Langzeitperspektive.
Bitte senden Sie Ihr Abstract mit maximal 350 Wörtern und einer kurzen biografischen Notiz bis zum 30. April 2023 an Zdeněk Nebřenský (nebrensky@dhi-prag.cz) und Daniela Tinková (daniela.tinkova@ff.cuni.cz).

Die Konferenz findet vom 22. bis 24. Juni 2023 in Prag, Tschechische Republik, statt. Im Falle von Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie wird die Konferenz in einem Hybridformat oder online durchgeführt. Konferenzsprachen sind Englisch, Deutsch, Tschechisch und Polnisch. Reise- und Übernachtungskosten werden von den Organisatoren übernommen.

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