Die polnische Intelligenzja - regionale Besonderheit oder europäisches Phänomen

Am 3. November 2009, 17.00 Uhr führt das Deutsche Historische Institut in Warschau ein weiteres Lelewel-Gespräch durch, in dem drei herausragende europäische Sozialhistoriker über ein Phänomen diskutieren werden, das in der polnischen Kulturwissenschaft wie in der polnischen Gesellschaft noch immer kontrovers diskutiert wird.

Die zentrale Frage, der Jerzy Jedlicki (Warschau), Jürgen Kocka (Berlin) und Denis Sdvižkov (Moskau) nachgehen werden, lautet: War (und ist) die polnische und osteuropäische Intelligenz als soziale Gruppe eine nur für diese Region typische Besonderheit oder ein gesamteuropäisches Phänomen? An diese Grundfrage schließen sich zahlreiche weitere Fragestellungen an, wie z. B.: Wann hat sich die Intelligenz als eine besondere soziale Schicht in verschiedenen europäischen Ländern herausgebildet? Sind ähnliche Gruppen, die eine so entscheidende Rolle in den geschichtlichen Entwicklungen gespielt und dabei auch über ein gewisses Ethos, d.h. Selbstbewusstsein einer „zivilisatorischen Mission“ und einer „führenden Rolle“ im Modernisierungsprozess sowie bei der Herausbildung des Nationalbewusstseins, verfügt haben, auch in gesellschaftlichen Strukturen des Westens zu finden? Welche Zukunft erwartet die Intelligenz als soziale Gruppe in der Epoche der supranationalen Integration und Globalisierung? Wird sich diese Schicht – mit Ausnahme vielleicht der intellektuellen Eliten – in Zukunft in eine Klasse von Bürokraten, Technokraten und verschiedene Arten von Experten auflösen, die sich immer mehr auf sehr enge Wissenschaftsbereiche spezialisieren und somit über kein übergreifendes Gefühl einer sozial-gesellschaftlichen Mission mehr verfügen?

Den Ausgangspunkt der mit Spannung zu erwartenden Debatte bildet die 2008 erschienene Trilogie „Dzieje inteligencji polskiej do roku 1918“ [Geschichte der polnischen Intelligenz bis zum Jahre 1918]“ von Maciej Janowski, Jerzy Jedlicki und Magdalena Micińska (Warszawa 2008, Verlag Neriton und Verlag IH PAN). Dieses aus langjährigen Forschungen erwachsene Werk hat sogleich ein ungewöhnlich breites Echo ausgelöst und ist in Polen zu einem akademischen Bestseller geworden. Die größte polnische meinungsbildende Tageszeitung „Gazeta Wyborcza” hat es in ausführlichen Interviews mit den Autoren vorgestellt, die katholische Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny” ihm eine Spezialausgabe gewidmet und die Redaktion der Zeitschrift „Przegląd Polityczny” organisierte zusammen mit dem Institut für Polnische Kultur eine wichtige und heftige Diskussion über den Inhalt des inzwischen viel rezensierten Werkes. Die Trilogie bot auch den Anlass, das neuestes, im Dezember 2009 erscheinende Heft der englischsprachigen Fachzeitschrift „Acta Poloniae Historica” einem allgemeinen Überblick über den neuesten Stand der polnischen Forschung zur Geschichte der polnischen Intelligenz zu widmen.

Weitere Auskünfte erteilt: PD Dr. Igor Kąkolewski (kakolewski(at)dhi.waw.pl / Tel.: 55258330)

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