„Fake News“ als historisches Phänomen

Das Problem der „Fake News“ stellt in seinem historischen Zusammenhang keine Neuheit dar. Falschaussagen werden von Medien und Politik seit jeher genutzt, um zu diskreditieren, unglaubwürdig zu machen und eine bestimmte Agenda zu setzen. Doch worauf beruht der große Erfolg der „Fake News“? Warum werden falsche Nachrichten bewusst verbreitet und aus welchen Gründen werden sie geglaubt? Dem Zusammenhang zwischen populistischen Politikstilen und Falschmeldungen nahm sich Prof. Dr. Ute Daniel (Braunschweig) in ihrem Vortrag am 17. Oktober an.
Im gemeinsam von der DHIW-Außenstelle Prag, dem Collegium Carolinum München und der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität Prag organisierten Vortrag unterschied Ute Daniel analytisch drei Gefechtsarten: die Politik gegen die Medien, die Medien gegen die Politik sowie die neuen sozialen Medien gegen Politik und Medien.

Zunächst befasste sich die Historikerin mit dem Konflikt zwischen der Politik und den Medien und gab einen Überblick über die geschichtliche Veränderung der Begriffe „Fake News“ und „Falschmeldungen“. Dabei betonte sie, dass „Fake News“ kein funktionales Äquivalent für Falschmeldungen seien, obwohl sich der qualitative Unterschied beider Begriffe lediglich auf ein Minimum beschränke. Falsche Nachrichten seien folglich kein vollkommen neuartiges Phänomen, sondern ein bereits verhältnismäßig altes Prinzip. Die Bemühungen darum, einem politischen Gegner durch Falschmeldungen Schaden zuzufügen, reichten bis weit in die frühe Neuzeit hinein, so Daniel. Die ersten Versuche, das Phänomen der falschen Nachrichten zu definieren, seien in deutschsprachigen Lexika schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts aufgetaucht. Das, was aus historischen Quellen bekannt sei, werde durch die Massenhaftigkeit der „Fake News“ zur heutigen Zeit jedoch übertroffen. Die Medien, die im 19. Jahrhundert politische Nachrichten brachten, seien eng mit den politischen Parteien verbunden gewesen. Dies habe dazu geführt, dass sich insbesondere die Presse sehr parteiisch verhalten und in den Zeitungen eine Welt präsentiert habe, die sehr unterschiedliche Ansichten zu denselben Tatsachen lieferte. Ein weiterer Wandel habe sich in Rundfunk und Fernsehen ergeben, was grundlegende Konsequenzen für die politischen Zeitungen gehabt habe. Heute gebe es in vielen Ländern eine bipolare Struktur, wobei das Fernsehen (z. B. der amerikanische Sender Fox News) für eine bestimmte politische Richtung stehe und die Zeitung (z. B. New York Times) für eine andere. Von ähnlich hoher Bedeutung sei auch die politische Rolle der Presse gewesen, so die Vortragende. Politiker und Zeitungen hätten oft in enger Vertraulichkeit gestanden und sich zu einem sogenannten Vertraulichkeitskartell zusammengeschlossen, das oft Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen war.

Im zweiten Teil ihres Vortrags nahm sich Ute Daniel dem Konflikt zwischen den sozialen Medien auf der einen und Politik und traditionellen Medien auf der anderen Seite an. Während sich Politiker gegen die Medien positionierten und die Medien gegen Politiker, führten gefälschte Nachrichten, die über soziale Medien verbreitet werden, zu scharfen Vorwürfen, die alles  kritisieren, so die Referentin. Als Folge sei oft eine Universalisierung von Medienblasen zu erkennen, die soziale Angst schüre. Aus Sicht der Vortragenden gibt es für den Umgang mit einer derartigen medienpolitischen Situation kein Patentrezept. Vielmehr sei es wichtig zu fragen, in was für einer Welt wir leben wollen. Reduziere man nämlich die Zahl gefälschter Nachrichten, führe dies zu Zensur. Derartige rechtliche Maßnahmen gegen die Medien, wie sie in Ansätzen aus dem heutigen Polen oder Ungarn bekannt seien, seien aus ihrer Sicht ebenfalls nicht zu beneiden. Für die Arbeit von Historikerinnen und Historikern, die sich entlang der diachronen Linie bewegen, ergebe sich durch die aktuelle Medienwelt jedenfalls eine große Herausforderung.

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