Gestaltungskraft Krieg – Europas Wege in die Gegenwart

Zum Thema „Gestaltungskraft der Kriege in der europäischen Geschichte“ referierte Prof. Dieter Langewiesche (Tübingen) am 26. September in Prag. Im gemeinsam von der DHIW-Außenstelle, dem Collegium Carolinum München und dem Masaryk Institut und Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften organisierten Vortrag präsentierte der Historiker die Ergebnisse seiner neuesten Forschung und zugleich sein jüngst erschienenes Buch „Der gewaltsame Lehrer. Europas Kriege in der Moderne“ (München 2019).

Der Vortrag begann mit der These Langewiesches, dass es ohne die Präsenz von Kriegen in der Geschichte weder zu Fortschritt im menschlichen Zusammenleben, noch zu erfolgreichen Revolutionen oder Demokratisierungsprozessen gekommen wäre. Auch starke Staaten hätten sich ohne kriegerische Handlungen nicht herausbilden können: Kriege zerstörten alte und schöpften neue. Aus dieser Erfahrung erkläre sich das „Ja“ des 19. Jahrhunderts zum Krieg als politischem Handlungsinstrument. Bei diesem fortschrittssicheren Säkulum sei es jedoch nicht geblieben, so der Autor. Die Kriege des 20. Jahrhunderts seien auch aus dem Glauben heraus gerechtfertigt worden, auf der Seite des Fortschritts zu stehen. Jede Form von Staatsbildung sei weiterhin auf Gewalt angewiesen gewesen, weshalb auch die Dekolonisierung als eine Kette von Gewalthandlungen und Kriegen verlaufen sei. Der eigene unabhängige Staat sei somit als Fortschrittsziel zu betrachten, für das Krieg und andere Formen von Gewalt als legitim galten. Krieg habe Fortschritt erzwingen sollen, indem er Blockaden durchbrach und Menschen auf ein gemeinsames Ziel vereinte.

Im weiteren Verlauf des Vortrags beschäftigte sich der Vortragende mit der Frage, aus welchen Gründen, mit welchen Absichten und welchen Ergebnissen die europäischen Kriege seit dem 18. Jahrhundert geführt wurden. Im Krieg verwandele sich die Nation in eine Gemeinschaft auf Leben und Tod und beanspruche, als kollektiver Akteur zu handeln. Die Wertegemeinschaft Nation werde im Krieg zur Kampf- und Opfergemeinschaft.

Im Schlusswort ging Dieter Langewiesche auf die weltgeschichtliche Ausnahmestellung der Entwicklungen im Jahre 1989 ein. Die friedlichen Revolutionen im Gefolge der Auflösung der Sowjetunion seien von dieser blutigen Geschichtsregel des Krieges abgewichen.

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