Interdisziplinäre Konferenz zum Thema "Schattenorte"

Der Begriff „Shadow Place“ (dt. „Schattenort“) bezieht sich auf Orte, die im Laufe der Geschichte Zeugen von Gewalt, Krieg oder Katastrophen und heute zu vielschichtigen Erinnerungsräumen und touristischen Anziehungspunkten geworden sind. Im Fokus der Betrachtung urbaner „Shadow Places“ steht der Umgang verschiedener Akteure mit einem solchen negativen Stadtgedächtnis. Welche Prozesse der Memorialisierung, Touristifizierung sowie Ökonomisierung sind typisch für Orte mit historischen „Lasten“? 

Die vom Forschungsbereich V „Funktionalität von Geschichte in der Spätmoderne“ in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und dem Leibniz Forschungsverbund Historische Authentizität ausgerichtete Tagung „Shadow Places. Urban Strategies of Dealing with Painful Pasts“ fand vom 7. bis 9. März im DHI Warschau statt. Die interdisziplinäre Konferenz brachte internationale Vertreter/innen der Geschichts-, Literatur- und Wirtschaftswissenschaften mit Anthropolog/innen, Architekt/innen und Praktiker/innen aus dem Museumsbereich zusammen. Das regionale Spektrum der präsentierten Fallstudien reichte von Berlin über Krakau bis nach Australien und China.

In thematischen Panels, einer Podiumsdiskussion, einem öffentlichen Vortrag sowie einem kleinen Exkursionsprogramm thematisierten die Teilnehmenden die Ambivalenz schwierigen historischen Erbes. Unter dem Titel „Dark Public History: How we Deal with Painful Pasts“ debattierten Philip Stone, Jörg Skriebeleit, Jessica Moody und Dorota Sajewska am ersten Abend über den Sinn und Zweck einer akademischen „Dark Public History“. Die lebhafte Diskussion drehte sich auch um das Konzept des „Dark Tourismus“, um das Marketing von „Schattenorten“ und berührte Fragen der Motivationen, Erwartungen und Emotionen beim Besuch von Stätten mit schwierigem bzw. „dunklem“ Erbe. 

In ihrer Keynote „Shadow Places of Migration“ legte Astrid Erll am Freitag Morgen den Fokus auf zwei konkrete Projekte, die als „memory interventions“ zu verstehen seien: Indem sie sich kulturell verankerter Erzählweisen bedienen, zielten sowohl Marc Isaacs Dokumentarfilm Calais: The Last Border (2003) als auch das Refugee Tales Outreach Project (seit 2005) darauf ab, Geflüchtete in die Herausbildung des kulturellen Gedächtnisses einzubeziehen und dezidiert migrantische Erinnerungsorte sichtbar zu machen.

Während einige Panels spezifischen Orten (etwa ehemaligen Gefängnissen) gewidmet waren, fokussierten andere allgemeinere Themen, wie den Umgang mit postkolonialem Erbe oder konkrete touristische Praktiken (Guided Tours, spielerische Raumaneignungen). Sehr unterschiedliche empirische und konzeptionelle Zugänge kamen im Panel „post-war spaces“ zusammen: Peter Pirker und Philipp Rode (Wien) stellten ihre quantitative Analyse zum Wandel der Wiener Denkmallandschaft seit 1945 vor; Roma Sendyka (Krakau) erläuterte anhand des ehemaligen Konzentrationslagers Płaszów in Krakau ihr Konzept der „non-lieux de mémoire“ und Scott Ladermann (Duluth, Minnesota) widmete sich vietnamesischen Kriegsmuseen und deren konflikthafter Rezeption durch amerikanische Touristen.

In allen Beiträgen zeigte sich, dass vergangenheitsbelastete Orte wachsenden Zuspruch finden und wie konkrete Akteure die dabei entstehenden Dissonanzen managen. Besonders rege Diskussionen entspannen sich im Laufe der Tagung um die Frage, inwiefern „Schattenorte“ von „dunklen Orten“ abgrenzbar sind und ob die Metaphern von Licht und Schatten prinzipiell zum Ausgangspunkt analytischer Konzepte werden können. Auch wenn keine letztgültigen Antworten auf diese Fragen gefunden wurden, konnte die Tagung einen wesentlichen Beitrag zur Begegnung zweier analytischer Konzepte leisten, die sonst meist in voneinander getrennten akademischen Diskursen verhandelt werden: der in Deutschland prominenten Geschichts- bzw. Erinnerungskulturforschung und dem im angelsächsischen Raum etablierten „Heritage“-Begriff.

22
Apr
Tagung
Workshop „Infrastructures of Memory. Actants of Globalisation and their Impact on German and Polish Memory Culture”
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