Neue Gastwissenschaftlerin in Prag

Adela Kuik-Kalinowska

Seit zwei Jahren ist das DHI Warschau stolzer Besitzer einer Wohnung in der tschechischen Hauptstadt. Die 136 Quadratmeter in der Prager Altstadt stehen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern für einen Forschungsaufenthalt zur Verfügung. Die Wohnung befindet sich in zentraler Lage zwischen wichtigen Forschungsstandorten wie der Tschechischen Nationalbibliothek und der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität samt Bibliothek. Außerdem ist durch die unmittelbare Nähe zur Prager Außenstelle des DHI Warschau der Kontakt zu ortskundigen Wissenschaftlern gegeben. Als ersten Gastwissenschaftler konnten wir Michael G. Müller in Prag begrüßen, darauf folgten Ralph Schattkowsky und Eduard Mühle. Zum 1. März hat Adela Kuik-Kalinowska ihren Forschungsaufenthalt angetreten, der bis Ende Juni 2022 andauern wird.

Adela Kuik-Kalinowska ist Literaturhistorikerin und Autorin. Sie lehrt an der Pommerschen Akademie in Słupsk und forscht am Institut für Polenstudien sowie am Institut für Kulturanthropologie und kaschubisch-pommersche Forschung zur Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Spezialisiert hat sie sich auf die Literatur der Romantik sowie auf kaschubische und pommersche Werke des 19. Jahrhunderts. 

Während ihres Forschungsaufenthaltes in Prag beschäftigt sich Kuik-Kalinowska mit den kaschubisch-tschechischen Literatur- und Kulturkontakten. Hierzu analysiert sie insbesondere den Kontakt zwischen Florian Ceynowa von der Breslauer Universität und den böhmischen Slawisten. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dabei Ceynowas Aufenthalt in Prag im Jahr 1863. In einem weiteren Teil ihrer Forschungen nimmt sich die Historikerin der Analyse von kaschubisch-tschechischen Übersetzungen an. Dabei fragt sie danach, inwieweit die böhmischen Slawisten Kaschubisch als Sprache anerkannten und inwiefern sie an der Entwicklung der kaschubischen Sprache beteiligt waren.

Die kaschubisch-tschechischen Beziehungen, die bereits im Mittelalter begannen und sich in den folgenden Jahrhunderten entwickelten, mit einer besonderen Intensivierung im 19. und 20. Jahrhundert. Prag und seine kulturelle Bedeutung für Europa fanden ihren Niederschlag in einer der slawischen Traditionen, nämlich der kaschubischen. Von hier aus kamen im Mittelalter die Kartäusermönche aus Smichow, das damals in der Nähe von Prag lag, in die Kaschubei und gründeten in der Stadt Kartouzy ihr Kloster, das bis heute funktioniert. Ein sehr wichtiges Ereignis für die Entwicklung des Christentums in Pommern war die Christianisierungsmission des hl. Vojtěch (Adalbert), die den Niederschlag in der zeitgenössischen historischen polnischen Prosa gefunden hat. Die kaschubisch-tschechischen literarischen und kulturellen Kontakte sind Gegenstand der Recherchen und Anfragen in Prag, die sich hauptsächlich darauf konzentrieren, Zeugnisse zu erhalten, die den Transfer der Durchdringung beider kultureller Traditionen, d.h. der kaschubischen und der tschechischen, zeigen. Der Einfluss der tschechischen Kultur auf die kaschubische und der kaschubischen Kultur auf die tschechische ist auf historischer, biographischer, literarischer, übersetzerischer und wissenschaftlicher Ebene präsent.

Das Forschungsziel ist es, Materialien zu finden, die in Zukunft für eine Veröffentlichung zu diesem Thema verwendet werden. Mit dem böhmisch-slawischen Milieu des 19. Jahrhunderts, mit J. E. Purkyně und F. L. Čelakovský, war Florian Ceynowa verbunden, der die kaschubische Literatur hervorbrachte. Die böhmischen Slawaisten übersetzten auch Ceynowas Werke. Auch der Briefwechsel zwischen A. Frinta und A. Majkowski aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist erhalten geblieben. Später sind die Übersetzungen in tschechisch-sprachigen Zeitschriften zu finden. Einer der Kaschuben im 20. Jahrhundert, J. Kiedrowski, war in den Jahren 1967-69 Presseattaché der Botschaft der Volksrepublik Polen in Prag. Es sollte hinzugefügt werden, dass wir im Bereich der Übersetzungsarbeiten Übersetzungen zeitgenössischer kaschubischer Poesie haben, darunter Dichter wie: M. Selina, S. Pestka und A. Nagel, deren Gedichte von Leoš Šatava ins Tschechische übersetzt wurden. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die kaschubische Poesie von R. Drzeżdżon, A. Labuda und A. Pieper von V. Knoll und R. ins Tschechische übersetzt. Alle oben genannten Beispiele zeigen lebhafte Verbindungen zwischen der kleinen kaschubischen Gemeinde und der tschechischen Tradition. Sie sind bisher noch nicht in einer so umfassenden Form erforscht und entwickelt worden, die sie durchaus verdient hätten.

04
Apr
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