Stand der historischen Forschung zu jüdischem Leben in den östlichen Provinzen Preußens, 1800-1945. Arbeitsgespräch in Külz / Kulice

Ein Arbeitsgespräch zu Stand und Perspektiven der Forschung zur jüdischen Geschichte in den früheren preußischen Ostprovinzen vom 19. Jahrhundert bis zur Shoah fand am 18. und 19. Juni 2018 im Konferenzzentrum der Universität Szczecin in Kulice statt. Das Treffen, das von Prof. Jörg Hackmann in Kooperation mit dem Deutschen Historischen Institut in Warschau veranstaltet wurde und an denen deutsche und polnische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Einrichtungen sowie Studierende der Universität Szczecin teilnahmen, ging von der Beobachtung aus, dass es sich hier regional wie zeitlich um einen Zwischenraum handelt, der von der Forschung in geringerem Maße erfasst wurde als Deutschland in seinen heutigen Grenzen oder Polen in den Grenzen der Adelsrepublik. Eigentlich ist nur Breslau bislang intensiver erforscht worden, zu Städten wie Stettin gibt es, abgesehen von der Deportation 1940, dagegen praktisch keine Forschung; diese hat sich vor allem mit der jüdischen Immigration nach Kriegsende sowie der Emigration bis 1968 befasst. Vor diesem Hintergrund wurden bereits realisierte wie geplante Projekte vorgestellt, über Quellenbestände und methodologische Zugänge diskutiert und Forschungsinteressen formuliert. Insgesamt zeigte sich erstens, dass die Erforschung jüdischen Lebens in den preußischen Ostprovinzen nicht durch eine mangelnde Quellenlage eingeschränkt wird, sondern dass fehlende sprachliche Voraussetzungen ein größeres Problem darstellen. Diesem kann jedoch durch internationale Kooperation begegnet werden. Zweitens bietet sich der Zugang über (auto-)biografische Quellen an, die gerade in Form von Interviews noch nicht angemessen zur Gewinnung von Informationen herangezogen wurden. Drittens wurde auf die Chance hingewiesen, die sich aus der Digitalisierung von schriftlichen Dokumenten und Fotografien ergeben. Viertens wurde schließlich die Relevanz lebensweltlicher Interessen deutlich, sei es in der Rekonstruktion der Neuen Synagoge in Kaliningrad oder in der Dokumentation und Bewahrung jüdischer Kultur (vor allem von Friedhöfen). Aus einer Verzahnung von lokaler Erinnerungspolitik mit lokalgeschichtlichen Forschungen deutscher und polnischer bzw. internationaler Wissenschaftler bieten sich Chancen für die Vertiefung von Arbeiten zu diesem Thema. Detaillierter wurde über Forschungsperspektiven zu Stettin gesprochen. Hier wird vor dem Hintergrund der Forschungslage und zugänglicher Quellen zunächst angestrebt, die Situation der jüdischen Bevölkerung vor der Arisierung und den Deportationen 1938 und 1940 zu bearbeiten. Ein Austausch über aktuelle und zukünftige Projekte wurde vereinbart, in ihn sollen dann auch weitere interessierte Institutionen und Wissenschaftler eingebunden werden.

24
Apr
Tagung
Longue duree der Regionalitäten
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