Wiederbringlich verloren? Zur Neubeschaffung verlorener Baudenkmale

© Mindaugas Mikulėnas

Das Goethehaus in Frankfurt am Main, die Brücke von Mostar in Bosnien-Herzegowina und das Berliner Schloss standen im Zentrum des Vortrags am 28. Oktober, in dem Prof. Dolff-Bonekämper Probleme bei der Neubeschaffung verlorener Baudenkmale besprach. Die Kunsthistorikerin und Professorin für Denkmalpflege und urbanes Kulturerbe an der TU Berlin fragte anhand ausgewählter Beispiele danach, was genau in Fällen zerstörter Denkmale und ihrer anschließenden Neubeschaffung wiedergebracht werde und in welchem Verhältnis Materialaufwand und Wert-Erwartung stünden.

Dolff-Bonekämper eröffnete ihren Vortrag mit einer Darstellung des theoretischen Ansatzes und einer Definition des Begriffs „Verlust“, bevor sie ihre Erkenntnisse darüber teilte, wie Verlust moralisiert, sozialisiert und verzeitlicht werden könne. Zeit und Umstände des Verlorengehens, die Dauer des Verloren-Gewesen-Seins, sowie die Verlustgemeinschaft seien alle als wichtige Faktoren bei der Wiederherstellung verlorener Denkmale zu betrachten, so die Kunsthistorikerin. In diesem Zusammenhang zeigte die Vortragende auch die Vielfalt der an der Wiederbringung verlorener Baudenkmale beteiligten Akteure auf und diskutierte in dieser Hinsicht bedeutende Fragen wie: Wer will das Verlorene wiederbringen? Wer beteiligt sich an Debatten? Gibt es Gegenrede? Werden Alternativen vorgeschlagen und, wenn ja, von wem?

Einen weiteren zentralen Teil des bildreichen Vortrags nahm die Präsentation der drei ausgewählten Beispiele ein: Zunächst wurde die Goethehausdebatte in den Jahren 1945 und 1947 dargestellt, in der es um die Neubeschaffung des nach einem Bombenangriff bis auf die Grundmauern zerstörten Goethehauses ging. In diesem Zusammenhang diskutierte die Vortragende die These des katholischen Theologen und Journalisten Walter Dirks, welcher Denkmalrekonstruktionen strikt ablehne und zum Mut zum Abschied animiere. In seinem Aufruf dazu anzuerkennen, dass es „seine bittere Logik“ gehabt habe, „dass das Goethehaus in Trümmer sank“, sieht Dolff-Bonekämper eine Moralisierung des Verlusts. Den Wiederaufbau der Brücke von Mostar, die im Jahr 1993 von kroatischen Truppen zerschossen und 2004 von der Weltbank wiederaufgebaut und auf die UNESCO-Weltkulturerbeliste gesetzt wurde, führte sie anschließend als Beispiel für eine Denkmal-Wiederbeschaffung an, die die internationale Gemeinschaft nicht zur Versöhnung brachte, sondern interethnische Konflikte und Missverständnisse verstärkte.

Abschließend diskutierte die Vortragende die Verluste und Neubeschaffungen des Berliner Schlosses, das während des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt und in den Jahren 1950-1951 durch Beschluss der DDR-Regierung gesprengt wurde. Die Vortragende betonte das Verschweigen und Vergessen des Schlosses in der DDR-Zeit: In Ost-Berlin durfte über das Berliner Schloss weder öffentlich gesprochen werden, noch stand es im Lexikon der Kunst, so die Vortragende. Als erster Ersatz des Schlosses sei im Jahre 1974 der Palast der Republik errichtet worden, welcher jedoch schon 1990 aufgrund von Asbestbefall geschlossen wurde. Im Jahre 2012 folgte schließlich der Wiederaufbau des Gebäudes.

Abschließend stellte Dolff-Bonekämper die Frage, woran man den kulturellen Wert einer Denkmal-Wiederbeschaffung messen sollte: An formaler Gleichheit, formaler Differenz, sozialer Identifikation oder gar semantischer Differenz? Diese wichtige Frage war auch Ausgangspunkt der lebhaften Diskussion, in der der Streitwert bei der Wiederherstellung verlorener Denkmale mit dem Publikum debattiert und die wichtige Rolle von der offenen Artikulation von Dissens betont wurden.

Der Vortrag in Vilnius war Teil der gemeinsam mit der Universität Vilnius und dem Litauischen Historischen Institut organisierten Vortragsreihe.

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