Władysław Bartoszewski über eine komplizierte Freundschaft

Am 15.01.2010 präsentierten der Verlag Wydawnictwo Literackie, die Deutsche Botschaft in Warschau und das Deutsche Historische Institut das neue Buch von Władysław Bartoszewski.

In Anwesenheit des Autors wurde das neueste Werk Władysław Bartoszewskis “O Niemcach i Polakach. Wspomnienia. Prognozy. Nadzieje. (Über Deutsche und Polen. Erinnerungen. Prognosen. Hoffnungen) vorgestellt und eingehend diskutiert. Zahlreiche Gäste, darunter Vertreter deutscher und polnischer Medien nahmen regen Anteil an der Debatte und erhielten Einblicke in die Hintergründe der Entstehung des Buches. Insbesondere  begrüßten sie die ausführlichen Reflexionen des Autors über die deutsch-polnischen Beziehungen. Der deutsche Botschafter Michael Gerdts verwies auf ein wichtiges Leitmotiv Bartoszewskis, das auch sein neues Buch charakterisiert: „Sie haben Auschwitz erlebt und trotzdem hatten Sie keine Hassgefühle den Deutschen gegenüber gehabt”.

In der Tat Bartoszewskis erste Begegnung mit den Deutschen war traumatisch: zuerst als Häftling des KZ- Auschwitz und dann nach dem Krieg im stalinistischen Gefängnis, wo ein Mitgefangener der SS-Hauptsturmführer Erich Engels war. (Die kommunistische Regierung in Polen hat damals die NS-Verbrecher und die Mitglieder der polnischen Heimatarmee AK, der Bartoszewski angehörte, zusammen inhaftiert). Trotz dieser grauenhaften Erfahrungen, gehörte er zu der damals kleinen Gruppe weitsichtiger Intellektueller, die sich schon in den 50er Jahren  bemühten, das tragische Erbe der Vergangenheit zu überwinden und Brücken für eine gemeinsame Zukunft zwischen den beiden Vőlkern langsam aber systematisch aufzubauen.

In seinem neuen Buch reflektiert Bartoszewski seine über sechs Jahrzehnte verfolgten Bemühungen um die schwierige Versöhnung zwischen Polen und Deutschland. Herausgekommen ist eine Art persönliches Tagebuch und zugleich ein solides Handbuch zur Geschichte und zum Stand der deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945, das im Anhang um zentrale Quellentexte (z.B. den Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder, den Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 oder Bartoszewskis Rede im Deutschen Bundestag von 1995) ergänzt wird.

Bartoszewski erzählt anekdotenreich, humorvoll und zugleich sachlich und detailliert. Die Etappen der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen werden durch das Prisma seiner Begegnungen mit Deutschen verschiedener Milieus geschildert. So wird der Leser zunächst mit NS-Kriegsverbrechern, dann mit befreundeten bundesrepublikanischen Intellektuellen, westdeutschen Korrespondenten in Warschau, Akademikern verschiedener westdeutscher Universitäten und last but not least Vertreter der politischen Eliten der BRD konfrontiert. Atemberaubend liest man die Kapitel über seine Amtszeit als Botschafter der Republik Polen in Wien und über seine zweimalige Amtszeit als polnischer Außenminister; manche hier vermittelte Information hat geradezu sensationellen Charakter.
Zwar enden die Erinnerungen im Jahr 2005, doch schloss Bartoszewski die Präsentationsveranstaltung mit einer Zukunftsprognose: “Wir leben in einer großen europäischen Familie und wie in jeder Familie gibt es auch in dieser Familie manchmal Streit”. In dieser Familie sollte aber dennoch ein freundlicher, konstruktiver und sachlicher Dialog geführt werden, in dem beide Partner souverän und respektvoll miteinander umgehen und gelegentlich auch offen und kontrovers über manchmal unterschiedliche Interessen verhandeln können.

23
Apr
Vortrag
Abgesagt: Prof. Susannah Eckersley (Newcastle): Museums as democratic public space? Memory, Migration and Belonging in Germany
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