Zur Medialisierung der Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg

Fotos: Vygaudas Juozaitis

Wie wurden die Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg in der internationalen Öffentlichkeit dargestellt? Wie sahen Wahrnehmungen, Diskussionen und Reaktionen aus? Und was bildete das eigentliche Ziel einer solchen Medialisierung? Unter diesen Leitfragen stand die interdisziplinäre Konferenz „Mediatization of the World War II War Crimes Trials“, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Litauen, Polen, Deutschland, Österreich, Italien, Rumänien, Estland, Luxembourg und den USA am 25. und 26. September in Vilnius zusammenbrachte. Vertreten waren neben Historiker/innen auch Forschende aus den Literatur-, Kultur-, Film- und Rechtswissenschaften. Organisiert wurde die internationale Konferenz von der DHIW-Außenstelle Vilnius und dem Institut für Geschichte und Archäologie der Baltischen Region an der Universität Klaipėda (BRIAI), Tagungsort war die Litauische Nationalbibliothek in Vilnius.

Mit seinem Keynote-Vortrag führte Lawrence Douglas in die umfassende Thematik ein, indem er verschiedene Konzepte des sogenannten „Verbrecherstaats“ anhand von Interpretationen verschiedener Fotografien /Szenenbilder aus Gerichtsverhandlungen vorstellte. Dabei stellte er u.a. die Frage nach der Wirkung derartiger Bilder auf den Betrachter in den Raum und thematisierte Diskussionen über den teils ungewissen Wahrheitsgehalt von Aussagen traumatisierter Zeugen vor Gericht.

An zwei Veranstaltungstagen wurden in insgesamt 10 Panels verschiedene Aspekte der Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg vorgestellt und deren öffentliche Rezeptionen diskutiert. Dabei wurden allgemeine Reflexionen, aber auch verschiedene Einzelprozesse aus unterschiedlichen (nationalen) Perspektiven präsentiert. Die Vortragenden thematisierten die mediale Prozessbegleitung in den verschiedenen Ländern, darunter u.a. Deutschland, Österreich, Polen und Litauen, Italien, Jugoslawien und die Türkei. Ein Schwerpunkt lag auf der Darstellung einzelner Prozesse und Angeklagter. So wurden beispielsweise der Prozess von Aleksandras Lileikis in Litauen, der des Franzosen Alfred Oppenheimer in Luxembourg, der Eichmann-Prozess in Jerusalem, der Kölner Lischka-Prozess und der Fall des Jugoslawen Draža Mihailović behandelt. Die öffentlichen Reaktionen auf die Nürnberger Prozesse – nicht zuletzt hervorgerufen und beeinflusst durch visuelle Medien – bildeten einen weiteren Tagungsschwerpunkt. Weitere Panels widmeten sich der Darstellung von Kriegsverbrecherprozessen im Film und den Effekten der Prozesse auf Überlebende und Angeklagte. Die globale Dimension stellte Kerstin von Lingen in ihrem Vortrag über Kriegsverbrecherprozesse in Asien heraus und Justinas Žilinskas ergänzte das Themenspektrum schließlich um die rechtswissenschaftliche Perspektive. Die einzelnen Beiträge wurden durch aussagestarkes Bildmaterial und Filmausschnitte bereichert.

Lebhafte Diskussionen zwischen den zahlreichen Teilnehmenden aus verschiedenen Fachdisziplinen bewiesen ein überaus großes Interesse an der Thematik. Die Vorträge zeigten zudem, dass die Geschichte der Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer weitestgehend unerforscht ist. Einmal mehr wurde die Notwendigkeit der Interdisziplinarität zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Geschichtswissenschaft und denen weiterer wissenschaftlicher Fachrichtungen wie Jura oder Philosophie deutlich. Eine Publikation der Beiträge in englischer Sprache ist geplant.

04
Apr
Ausstellung
Bilder des Krieges: Fotoausstellung „Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw“ in Jena
Mehr lesen