Adel ohne Grenzen

Johann Hennenberger: Stemmata genealogica praecipuarum in Prussia Familiarum Nobilium, Ende 16. Jh., Seite der Familie Dohna (Detail), public domain: http://kpbc.umk.pl/dlibra/doccontent?id=3096

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des internationalen Workshops am 4. März 2021 widmeten sich künstlerischen Darstellungen und dem Problem der regionalen Identität und des überregionalen Adels in beiden Teilen Preußens in der frühen Neuzeit. Die Veranstaltung mit dem Titel „Adel ohne Grenzen? Identitäten und Repräsentation zwischen Königlichem und Herzoglichem Preußen“ (Szlachta bez granic? Tożsamości i reprezentacje w Prusach Królewskich i Książęcych”) fand online statt, die Beiträge wurden simultan in polnischer und deutscher Sprache gehalten.

Nach der Begrüßung durch die Organisatoren Sabine Jagodzinski (DHI Warschau) und Rahul Kulka (Cambridge, MA) stellte Karin Friedrich (Aberdeen) in ihrem Einführungsvortrag die wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit der Geschichte des frühneuzeitlichen Königlichen und Herzoglichen Preußens vor. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Identitätsproblem des preußischen Adels, dessen Beziehungen zur Republik Polen und der unterschiedlichen politischen und kulturellen Entwicklung beider Teile Preußens. Friedrich verwies auf das im lokalen Adel vorherrschende Gefühl der eigenen preußischen Besonderheit, das mit dem gleichzeitigen Wunsch einherging, enge Beziehungen zur Rzeczpospolita aufrechtzuerhalten. In ihrem Vortrag berücksichtigte sie auch die Änderung des Ansatzes zur Erforschung der Kultur dieses Gebiets (Abweichung vom Konzept der Polonisierung oder Germanisierung Preußens).

Das erste Panel – Kirchenbau und Konfession – war den kirchlichen Adelsstiftungen der beiden größten Konfessionen Preußens (lutherisch und römisch-katholisch) gewidmet. Franciszek Skibiński (Thorn) präsentierte verschiedene Formen adliger Sepulkralkunst in den evangelischen und katholischen Kirchen preußischer Städte. Piotr Birecki (Thorn) nahm das Thema der Auswirkungen der Reformation und der evangelischen Konfessionalisierung im Herzogtum Preußen auf. Gleichzeitig vertrat er die These, dass der strenge Lutheranismus, der unter den lokalen Adligen vorherrschte, den Konservatismus und die Erstarrung in der lokalen Sakralkunst beeinflusst. Eine Ausnahme sei der reformierte Adel gewesen, der mit dem kalvinistischen Fürstenhof verbunden und aus religiösen Gründen den Einflüssen des neuen Stils der niederländischen Spätrenaissance ausgesetzt war.

Im Panel „Kult und Liturgie“ setzte sich die Frage nach dem Einfluss des Adels auf die sakrale Kunst in Preußen fort. Michał F. Woźniak (Toruń) schilderte die Problematik der liturgischen Ausstattung, die von höheren katholischen Geistlichen finanziert wurde. Er betonte den Einfluss konfessioneller Kontroversen auf den Stil einzelner Arten von Gegenständen, die in der Liturgie verwendet wurden. Dabei machte er darauf aufmerksam, dass in preußischen Stiftungen weniger familiär bedingte Machtdemonstrationen erkennbar seien als in anderen Gebieten der Republik Polen. Dies stehe mit der Dominanz der protestantischen Handwerker in diesem Bereich in Zusammenhang. Anschließend stellte Sabine Jagodzinski die Ergebnisse ihrer Forschung vor. Anhand mehrerer Kirchenbeispiele in kleinen Zentren Königlich Preußens zeigte sie, wie adlige Stifter ihre Identitäten zum Ausdruck brachten. Durch die Präsentation spezifischer Schutzheiliger und historischer Persönlichkeiten versuchten sie u.a., ihre Loyalität gegenüber der Republik Polen zu demonstrieren.

Das Abschlusspanel stand unter dem Titel „Weltliche Symbole und Herrschaft“ und widmete sich dem Problem der Repräsentation des preußischen Adels im säkularen Raum. Anna Oleńska (Warschau) stellte dieses Thema aus einer vergleichenden Perspektive vor. Sie präsentierte die Figur eines polnischen Magnaten von außerhalb Preußens, der seine luxuriösen Maßnahmen oft in Danziger Werkstätten in Auftrag gab. Sabine Bock (Schwerin) wiederum zeigte adlige Architektur im Kontext der gesamten Region der südlichen Ostseeküste. Gleichzeitig erläuterte sie die stilistischen Veränderungen im 16. und 17. Jahrhundert und griff das Problem des Einflusses der politischen und wirtschaftlichen Situation auf die Entwicklung von Architekturplänen des Adels in der Region auf. Gegenstand der letzten Präsentation von Rahul Kulka war ein Album mit genealogischen Zeichnungen des königlichen Hofmalers Johann Hennenberger, anhand dessen die Frage der Genealogie und Heraldik als Ausdruck der Repräsentation eines adligen Standesgefühls diskutiert wurde.

Die Vorträge des überaus gut besuchten Online-Workshops zeigten die Vielfalt der Darstellungsformen des preußischen Adels und ihren Einfluss auf die Entwicklung der lokalen Kunst. Sie nahmen auch das Problem der religiösen und politischen Identifizierung des Adels von Königlichem Preußen und Herzogtum/Königreich Preußen mit ihren übergeordneten Bezugsregionen auf und regten lebhafte wissenschaftliche Diskussionen an.

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