Frühmoderne Wissensmetaphern

Der deutsche Physiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg weist in der hier angeführten Aussage auf die zentrale Eigenschaft der Metapher hin: Sie ermöglicht es, Begriffe aus ihrem ursprünglichen in einen anderen Bedeutungszusammenhang zu übertragen und somit neue Assoziationen zu schaffen. Besonders bedeutend war diese Funktion für den wissenschaftlichen Diskurs der Frühen Neuzeit. Begriffe wie Labyrinth, Weg, Licht, oder Dunkelheit wurden von den zeitgenössischen Autoren genutzt, um durch sie Gedanken zum Wissen, Lernen oder der Wissenschaft auszudrücken. Diese Idee, neue Denkweisen mithilfe eines rhetorischen Stilmittels kognitiv greifbar zu machen, stand auch im Zentrum der Konferenz „Between the Labyrinth and the Way of Light: Early Modern Metaphors of Knowledge“ 1.-4. September in Prag).

Unter der Leitung des Instituts für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik sowie des Deutschen Historischen Instituts Warschau kamen über dreißig WissenschaftlerInnen sowohl analog als auch digital zusammen, um anhand ihrer englischsprachigen Beiträge über die Vielfältigkeit, Funktion und Ambivalenz der Metapher zu diskutieren. Neben diesem ersten Themenschwerpunkt lag der zweite Fokus der interkontinentalen Tagung auf dem Werk von Johannes Amos Comenius, der Metaphern einerseits selbst in seine Texte einfließen ließ und sie andererseits aus einer poetisch-rhetorischen Perspektive reflektierte. Zu Beginn der Veranstaltung erfolgte eine überblicksartige Einführung in das Untersuchungsfeld. Im Anschluss beschäftigten sich die Vortragenden mit der Verwendung von Metaphern des wissenschaftlichen Fortschritts bei der frühen Naturphilosophie und in den Büchertiteln bei der Wissensvermittlung.

Eine wichtige Rolle spielten die Metaphern auch in der Geschichtstheorie und -erzählung von J. A. Comenius, der sich ähnlich wie seine Vorgänger und Zeitgenossen mit der Ordnung Pansophie schen (enzyklopädischen) Wissens beschäftige. Es folgten Präsentationen mit einer (poly-)mathematischen Ausrichtung, bevor Howard Hotson (Oxford) den ersten Tag mit einem Vortrag zur Entstehung, Entwicklung und Etablierung des Genres der Enzyklopädie abschloss. 

Inwiefern von der herrschenden Kirchenlehre abweichende Autoren wie der englische Philosoph Francis Bacon traditionelle Metaphern nutzten, um in ihren Schriften neue Denkmuster zu etablieren, wurde am folgenden Morgen veranschaulicht. Im Anschluss illustrierten die Beiträge die Bedeutung von Lichtmetaphern anhand von drei unterschiedlichen Beispielen. Nachdem im weiteren Verlauf der Zusammenhang von biblischem Einfluss, Wissen und Architektur dargestellt worden war, endete der zweite Konferenztag mit der Besprechung räumlicher Metaphern anhand der Begriffe „Labyrinth“ und „Karte“. Darüber hinaus wurde zunächst auf die grundlegende Bedeutung der Termini für die frühneuzeitliche Wissenschaft hingewiesen. In den zwei folgenden Beiträgen wurde diese Relevanz den anwesenden TeilnehmerInnen weiter vor Augen geführt.

Der Triumph der Metaphern im Humanismus bildete zugleich den Startpunkt für den dritten Konferenztag. Im Zentrum stand die Frage, inwiefern Gelehrte auf Metaphern zurückgriffen und welche Intention sie dabei verfolgten. Anhand der Meteorologia Franz Reinzers wurde veranschaulicht, wie allegorische Figuren aus dem Bereich der Natur Handlungshinweise für Herrschende vermitteln können. Den thematischen Kern der folgenden Einheit bildete die Verwendung von Metaphern zur Beschreibung von Erkenntnis- und Wissensgewinn im Sinne eines Weges, der vom Individuum beschritten werden muss. Die Frage, ob Metaphern selbst inhaltsleer und somit unterschiedlich interpretierbar sind, spielte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Diese kam auch J. A. Comenius im letzten Part zu. Im Rahmen der dabei vorgestellten Beiträge wurde zunächst die Bedeutung seines Werkes Typographeum Vivum für die Geschichtswissenschaft herausgearbeitet. Die Bedeutung von Lichtmetaphern bei Comenius sowie ihre mögliche Klassifizierung und Interpretation standen im Zentrum des abschließenden Vortrages.

Mit dem Thema der frühneuzeitlichen Verbindung sowie der langsam auftretenden Differenzierung zwischen Literatur, Wissenschaft und Kunst begann der vierte Veranstaltungstag. Es wurden die Beiträge zur Bezugnahme auf Metaphern in der Thomas von Aquins Theologie, in der antiaristotelischen Physik von J. A. Comenius und in der Korrespondenz von J. Hübner präsentiert. Nicht weniger interessant war der Umgang mit Metaphern in der Renaissance-Anatomie, Mathematik und der Astronomie. Die zahlreichen während der Konferenz gesetzten Impulse wurden im Rahmen einer abschließenden Diskussion gesammelt und eingeordnet. Die Einnahme der historischen Perspektive auf die literarische bzw. metaphorische Seite der Wissenschaft und die Überlieferung wissenschaftlicher Erkenntnisse stellt ein klassisches und langfristig beliebtes Forschungsthema dar, das nichts von seiner Aktualität verliert.

01
Feb
Ausstellung Podiumsdiskussion
Ausstellung: Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw
Mehr lesen