Gefängnisse als Teil von Stadtgeschichte

Das DHI Warschau führte gemeinsam mit dem Lviv Center for Urban History einen Workshop über Gefängnisse als Zentren städtischen Lebens durch. Im Zentrum der zweitägigen Veranstaltung stand das ehemalige Brigitten-Kloster, das nach der Auflassung 1782 zum Gefängnis wurde und noch immer Teil des ukrainischen Strafvollzugs ist.

Der Workshop begann am 3. Oktober mit einem Stadtspaziergang, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Italien, Griechenland, England, den USA, Polen, Deutschland und der Ukraine zu ermöglichen, sich selbst die Gefängnis-Topographie Lembergs zu erschließen. Nach einer Besichtigung des ehemaligen NKVD- und KGB-Untersuchungsgefängnisses in der Lonski-Straße wurde die Gruppe in die laufende Arbeit der Bildungsstätte „Territorium des Terrors“ eingeführt, die sich in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Ghetto sowie des Transit-Gefängnisses No. 25 befindet.

Anschließend wurden alle Teilnehmer von den Strafvollzugsbeamten im Untersuchungsgefängnis No. 19 in Empfang genommen, wo der erste Präsentationsteil zur Geschichte des Brygidki-Gefängnisses stattfand. Felix Ackermann (Warschau) verwies auf das kritische Verhältnis zwischen Insassen, Aufsehern und der Verwaltung, Ivanka Cherchovych (Lemberg) zeigte, wie Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Prozesse gegen sie nutzten, um einen Einfluss auf das Urteil zu erlangen. Oleh Razyhraev (Luck) stellte das Brygidki-Gefängnis in der Zwischenkriegszeit als Zentrum politischer Aktivitäten – sowohl von Nationalisten als auch von Kommunisten – dar und Kai Stuve (Halle) verwies auf die Mikrogeschichte der Gewalt an diesem Ort im Juni und Juli 1941.

Am zweiten Tag spannten die Workshopteilnehmer das analytische Netz von der Peter Paul Festung bis nach Thessaloniki, um zu zeigen, wie die Gefangenen stets die Orte ihrer Einschließung für ihre politischen und kriminellen Zwecke nutzten. In einem letzten Panel zeigte Antonella Barbato (Neapel) anhand von italienischen Beispielen die Umnutzung von Gefängnissen als städtische Infrastrukturen. Maria Kagiadaki (Thessaloniki) zeigte, wie im Fall der historischen Festungsanlage von Thessaloniki die unterschiedlichen Interessen von Archäologen und Architekten bei der Umnutzung des ehemaligen Gefängnisses „Yedi Kule“ miteinander vereinbart wurden. Eine abschließende Podiumsdiskussion mit dem stellvertretenden Bürgermeister Andrii Moskalenko sowie der Vorsitzenden der Denkmalschutzbehörde von Lemberg, Lilia Onyshchenko, warf einen Blick in die Zukunft nach der Schließung des Brygidki-Gefängnisses. Beide sprachen sich explizit gegen die Umnutzung des Ortes als Kaufhaus aus und betonten, dass es im Sinne der Stadt sei, die Gewaltgeschichte des Ortes bei den Planungen zu berücksichtigen.

04
Apr
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