Kino des Umbruchs

Nach dem Erfolg der Reihe „Jahr des Protestes. 1968 im europäischen Kino" organisierte das Deutsche Historische Institut Warschau eine Filmschau zum 30. Jubiläum des Jahres 1989. Das symbolische Jahr 1989 geht mit einem großen Umbruch in Europa einher, wobei sich die damit verbundenen Ereignisse über einen langen Zeitraum erstreckten und in jedem Land unterschiedlich zu spüren waren:  

Während die Transformation an einigen Orten friedlich und im Geiste der Verhandlungen verlief, gab es in anderen - zum Beispiel in Rumänien - blutige Szenen auf den Straßen. Einige Länder veränderten ihre politischen und wirtschaftlichen Systeme während andere, wie Litauen, Lettland und Estland, ihre Unabhängigkeit wiedererlangten. Idee des Projekts war es, Vertreter von zehn Ländern Mittel- und Osteuropas zusammen zu bringen, um auf die Vielfalt der Erfahrungen und Erinnerungen aufmerksam zu machen, die mit dieser historischen Zeit verbunden sind.

Die Filmreihe „Jahr des Umbruchs. 1989 im europäischen Kino" wurde am 12. Oktober 2019 im Breslauer Kino Nowe Horyzonty mit der Aufführung des ungarischen Films „Moskauer Platz" unter Regie von Ferenc Török eröffnet. Dem Film folgte eine Podiumsdiskussion mit Beteiligung von Stanisław Abramik, Adam Kruk, Arkadiusz Lewicki und Michał Pabiś-Orzeszyna. Gemeinsam mit Gastgeberin Magda Piekarska diskutierten die Gäste die Frage, welche polnischen Filme nach 1989 die größten Spuren hinterlassen haben. Welche Filmemacher haben es geschafft, die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten dreißig Jahre am treffendsten zu erfassen? Stimmen aus dem Publikum betonten einvernehmlich, dass die Wende der 1980er und 1990er Jahre keine gute Zeit für das Kino war - weder in Polen noch in der Welt. Dies sei jedoch nicht nur auf politische Umstände, sondern auch auf technologische Veränderungen zurückzuführen.

Einen Monat später wurde die Filmreihe in Warschau gezeigt. Die offizielle Eröffnungsfeier im Kino Luna am Mittwoch, dem 13. November 2019, wurde mit den beiden Filmen „1989“ (Regie: Michał Bielawski) und „Balti tee“ (Regie: Peeter Simm) eingeleitet. Während der einführenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Magdalena Saryusz-Wolska nahmen Zbigniew Gluza vom KARTA-Zentrum und Jędrzej Wineicki vom polnischen Nachrichtenmagazin „Polityka“ die Wurzeln der Transformation in Mittel- und Osteuropa näher in den Blick. Dabei betonten die Experten, dass die Ereignisse von 1989 keinesfalls als punktueller Umbruch zu betrachten seien, sondern das gesamte Jahr im Zeichen bedeutender Veränderungen gestanden habe. Politische Entwicklungen wie die Solidarność-Bewegung und die Gespräche am sog. „Runden Tisch“ in Polen waren ebenfalls von großer Bedeutung, stünden aber im Schatten weltweiter Ereignisse. Den zeitgleich stattfindenden Studentenprotesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking oder dem Fall der Berliner Mauer werde bis heute bedeutend mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Noch immer sei kein bedeutendes filmisches Werk erschienen, dass die Ereignisse dieser Umbruchszeit in Mittel- und Osteuropa multiperspektivisch thematisiert.

Die zehn Spiel- und Dokumentarfilme aus Österreich, Tschechien, Polen, Deutschland, Ungarn, Rumänien, Litauen, Lettland, Estland und der Slowakei, die vom 12. bis 17. Oktober in Breslau und vom 13. bis 17. November in Warschau präsentiert wurden, stellten das „Umbruchsjahr 1989“ aus ihren unterschiedlichen nationalen Perspektiven dar und gaben Einblick in verschiedene Ansichten zum Ende des Kommunismus und den Beginn der Transformation. Finanziell unterstützt wurde die Veranstaltung durch verschiedene Kulturinstitutionen, die sich mit dem interkulturellen Dialog und der Verbreitung des gemeinsamen kulturellen Erbes befassen.

24
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