Ost und West nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Tagung „Zweierlei Neuanfang. Das Ende des Zweiten Weltkriegs in West und Ost – Demokratisierung versus Stalinisierung“ war die erste real stattfindende wissenschaftliche Tagung seit 16 Monaten, die – unter hygienischen Vorkehrungen – in den Räumlichkeiten des DHI Warschau organisiert wurde. Das Treffen fand vom 7. bis 9. Juni 2021 in hybrider Form statt und wurde über die Plattform Zoom digital übertragen. Mehr als die Hälfte der aktiven Referenten sowie alle Organisatoren waren vor Ort präsent, eine deutsch-polnische Simultanübersetzung der Beiträge wurde mithilfe von professionellen Dolmetschern realisiert und ebenfalls via Zoom übertragen.

Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Polen, Frankreich, Italien, Österreich, Rumänien und Tschechien widmeten sich den Perspektiven von West und Ost nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Hauptteil der Tagung wurde dazu genutzt, die Vorstellung der Perspektivendualität zwischen dem demokratischen Westen und dem totalitären Osten aus der Sicht der damaligen Akteure und vor dem Hintergrund der zeitgenössischen politischen und strukturellen Bedingungen zu rekonstruieren, aber zugleich auch als Betrachtungsfolie und Narrativ zu hinterfragen.

Von Seiten des DHI Warschau sprachen Ruth Leiserowitz und Miloš Řezník. Leiserowitz referierte über die Aktivitäten und Bekämpfung der sogenannten „Waldbrüder“, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Litauen bewaffneten Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft und die sowjetische Okkupation des Landes leisteten. Řezník präsentierte einen Vergleich der Entwicklungsperspektiven und Probleme der ethnisch-regionalen Bewegungen und lokalen Gesellschaften in der Kaschubei, der Lausitz, dem Elsass und im ladinischen Südtirol.

Der polnischen Problematik widmeten sich insbesondere Karolina Ćwiek-Rogalska von der Polnischen Akademie der Wissenschaften, die – ebenfalls in komparativer Perspektive – eine mikrohistorische Sicht auf Flucht, Vertreibung und Neubesiedlung der widergewonnenen Gebiete Polens und des tschechoslowakischen Sudetenlandes anbot, und Stefan Garsztecki (Chemnitz), der sich dem Spannungsverhältnis zwischen Sowjetisierung und nationaler Selbstbehauptung im frühen Volkspolen widmete.  Weitere Vorträge beschäftigten sich mit Demokratiekonzepten im deutschen Exil, dem Weg des Westens nach „Klein-Europa“, den anglo-amerikanischen „Geo-Strategien“ bis 1950, den kommunistischen Repressionen in Rumänien, der Tschechoslowakei zwischen 1945 und 1948 als einer Form kanalisierter Demokratie, Erfahrungsperspektiven der historischen Akteure in der Ukraine zum Kriegsende, den Täter- und Opferdiskursen in Frankreich, den komplizierten Demokratisierungsprozessen in Italien und dem „Sonderfall“ Österreich nach dem Krieg.

Die Tagung wurde in Kooperation mit der Professur für Europäische Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts der Universität Chemnitz (Frank-Lothar Kroll) vorbereitet und vom Sächsischen Staatsministerium des Innern großzügig unterstützt und gefördert. Ein weiterer Veranstaltungspartner war das Tschechische Zentrum in Warschau.

24
Apr
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