Themenheft „Preußen postkolonial“ erschienen

In der Zeitschrift Geschichte und Gesllschaft erschien das Themenheft „Preußen postkolonial“, das von Felix Ackermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Warschau, sowie von Agnieszka Pufelska vom Nord-Ost-Institut Lüneburg herausgegeben wurde. Dabei handelt es sich eine wissenschaftliche Übung in der kritischen Analyse einer bisher weitgehend übersehenen historischen Dimension des innereuropäischen Kolonialismus, die von Preußen aus ein asymmetrisches Verhältnis zwischen Deutschland und dem östlichen Mitteleuropa prägte. Das Themenheft versammelt den neusten Forschungsstand zur polnischen Geschichte Preußens, die sich auch als preußische Geschichte Polens lesen lässt. Die Autor:innen diskutieren, wie die Aneignung polnischer Territorien durch Preußen sowie nach 1871 die unterschiedlichen Facetten des „Kulturkampfs“ gegen katholische Bürger:innen in den Ostprovinzen des Deutschen Reichs im Komplex post-kolonialer Aufarbeitung wissenschaftlich konzipiert werden können.

Die Teilungen des Polnisch-Litauischen Reichs führten von 1772 an zur Einverleibung von Gebieten der polnischen Krone unter anderem durch das Königreich Preußen. Die Autor:innen von „Preußen postkolonial“ behandeln vor allem die zweite Hälfte des folgenden „langen 19. Jahrhunderts“ und beantworten die Frage, inwiefern man die Aneignungs- und Modernisierungsprozesse in den polnischsprachigen Gebieten Preußens als Innere Kolonisation verstehen kann. Dabei steht der politische, wirtschaftliche und kulturelle Umgang mit der Differenz der katholischen  und jüdischen Untertanen im neuen Osten Preußens im Mittelpunkt.

Grundvoraussetzung für diese Versuchsanordnung ist eine de-essentialisierte Kolonialismus-Definition, die diesen stets als Plural unterschiedlicher kultureller, nationaler und geographischer Ausprägungen versteht und diese zueinander in Beziehung setzt. Versteht man koloniale Konfigurationen als dynamische, zeit- und grenzübergreifende Konzepte, wird es möglich, einen differenzierten Vergleichsmodus zu finden und in empirischen Studien vielfältige Bezüge herzustellen.

Die Anlage des Themenhefts richtet sich gegen eine leichtfertige Deutung der Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit ethnisch-nationaler Konfliktlagen im Rahmen von Konsenskonzepten. Die dabei in den Blick geratenen Unterschiede, Konflikte und Asymmetrien lassen sich nicht einfach durch die Anwendung idealisierender Konzepte von Transregionalität und Transkulturalität nivellieren. Daher sei es notwendig, unter Berücksichtigung konkreter Regionen die Vielstimmigkeit von Narrationen über das „Eigene“ und das „Fremde“ zu überprüfen.

 

22
Apr
Tagung
Workshop „Infrastructures of Memory. Actants of Globalisation and their Impact on German and Polish Memory Culture”
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