Neuerscheinung: Official History in Eastern Europe

Unter „Official History“ wird eine staatlich geförderte und ideologisch motivierte Auslegung der Vergangenheit verstanden, die politischen Zielen meist nicht-demokratischer Regime dient. Der optimistische Glaube, dies würde mit dem Zerfall der Sowjetunion ein Ende nehmen, stellte sich als naiv heraus. Pierre Nora behauptete, dass in den letzten 30 Jahren eine „allgemeine Politisierung von Geschichte“ – die Ideologisierung der Arbeit von HistorikerInnen – beobachtet werden konnte.

Wie wird die Arbeit von HistorikerInnen heute von den langjährigen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts in Osteuropa beeinflusst? Was könnte eine „offizielle Geschichte“ für staatenlose Nationen oder selbsternannte „Republiken“ bedeuten? Wie wurde die ukrainische Geschichtswissenschaft sowjetisch oder ihr die Sowjetisierung auferzwungen? Welche Räume für individuelle Forschungsinitiativen oder sogar minimalsten Dissens mit den vorgeschriebenen Forschungsplänen wurden in den offiziellen Geschichtsinstitutionen der Sowjetunion und des sozialistischen Polens geboten? Wie wurden russische Geschichtsbücher in der postsowjetischen Zeit umgeschrieben? Welche Rolle spielen Literatur, Film, Denkmäler, Tourismus oder Rituale in der Geschichtspolitik? Wie wurde das Gedächtnis an den Zweiten Weltkrieg im gegenwärtigen russisch-ukrainischen Konflikt instrumentalisiert und wie beeinflussen die Bilder des Krieges im Donbas die geschichtspolitischen Debatten in benachbarten postsowjetischen Staaten?

Diesen Fragen wird in den interdisziplinären Beiträgen dieses Bandes von ForscherInnen aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Litauen, Polen, der Schweiz und der Ukraine nachgegangen. Der Großteil der Artikel entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Divided Memories, Shared Memories. Ukraine/Russia/Poland (20th–21st centuries): An Entangled History“ (gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) an der Universität Genf und wurde erstmals im Juni 2018 auf der Konferenz „Official History in Eastern Europe. Transregional Perspectives“ am Deutschen Historischen Institut in Warschau präsentiert.

Korine Amacher ist Professorin für russische und sowjetische Geschichte und Direktorin des Masterstudiengangs „Russia – Central Eastern Europe“ an der Universität Genf.

Andrii Portnov ist Professor für Entangled History of Ukraine an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) und Direktor des PRISMA UKRAЇNA Research Network Eastern Europe am Forum Transregionale Studien Berlin.

Viktoriia Serhiienko ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mykhailo-Hrushevsky-Institut für Quellenforschung an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew.

Official History in Eastern Europe, eds. Korine Amacher / Andrii Portnov / Viktoriia Serhiienko, Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau 40, 362 S., fibre 2021, ISBN 978-3-944870-71-7

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