Christhardt Henschel: Aneignung und Revitalisierung. Aushandlungsprozesse des deutsch-jüdischen Kulturerbes in Polen
Das Forschungsvorhaben ist Teil des DFG-Schwerpunktprogramms (SPP) 2357 „Jüdisches Kulturerbe“ und wird in Zusammenarbeit mit der Bet Tfila – Forschungsstelle für Jüdische Architektur in Europa an der TU Braunschweig durchgeführt Im Zentrum des Projekts steht die Frage, wie sich der Umgang mit Synagogen in den Nord- und Westgebieten Polens seit 1945 entwickelte. Die Auseinandersetzung damit ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der kulturellen Aneignung der ehemals deutschen Gebiete durch die neuen Bewohner*innen. Die Besonderheit dieser Regionen liegt darin, dass sie als „post-displacement region“ erst nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen fielen und somit das dort vorzufindende jüdische Erbe nicht „polnisch“ war. Damit ist der Umstand gemeint, dass die jüdische Bevölkerung dieser Gebiete deutsche Staatsbürger*innen und in der Regel stark an die deutsche Sprache und Kultur akkulturiert gewesen waren. Im Projekt wird anhand der wenigen erhaltenen Synagogen – die meisten wurden 1938 im Zuge der sogenannten Reichskristallnacht zerstört – gefragt, wie die jüdischen Bauten nach 1945 wahrgenommen wurden (als jüdisch, als deutsch?), welche Nutzungsformen sich entwickelten und inwieweit sich die Aneignungsprozesse in den ehemals deutschen Gebieten von Zentralpolen unterschieden. Die Erforschung der historischen Prozesse nach 1945 soll dabei mit einer Analyse der aktuellen Situation verbunden werden. Das Projektteam steht im engen Austausch mit Institutionen und Menschen, die sich für den Erhalt der Synagogen einsetzen oder die heute diese Gebäude nutzen. Diese finden sich meist in kleineren Städten wie Kętrzyn (Rastenburg), Barczewo (Wartenburg), Ziębice (Münsterberg) oder Dzierżoniów (Reichenbach). Dieser Zweiklang von empirischer historischer Forschung und der Arbeit mit Personen, die aktuell in der Verantwortung für diese Objekte stehen und/oder sich aktivistisch engagieren, ist eine Besonderheit dieses Projekts. So werden nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, sondern auch ein Wissenstransfer zwischen beiden Welten ermöglicht. Kooperationspartner sind das Jüdische Historische Institut Warschau und die Fundacja Ochrony Dziedzictwa Żydowskiego.
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