Regionalität und Regionsbildung


Einleitung

Regionale Differenzierung, Ethnizität und Geschichtskultur:
Die Kaschubei im 20. Jahrhundert


Bearbeiter: Miloš Řezník

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Durch die Pluralisierung und Hybridisierung des Beziehungsgeflechts zwischen kollektiver Zugehörigkeit und persönlicher Identität nimmt in der aktuellen Forschung die Aufmerksamkeit für jene Identifikationsformen zu, die als Übergangs- oder Mischformen traditioneller Typen erscheinen. Vor diesem Hintergrund erfahren Untersuchungen zu europäischen Bewegungen zwischen Territorialität (Regionalität) und Ethnizität in verschiedenen Disziplinen eine deutliche Intensivierung: Aus ehemaligen Marginalfällen und Randerscheinungen werden Themen, an denen neue Potentiale der Erforschung von Identitäts- und Territorialdiskursen und entsprechenden Praktiken erarbeitet werden.


Das Projektvorhaben knüpft an die bisherige Forschung zu Territorialdiskursen und ethnisch-regionalen Bewegungen an und entwickelt sie weiter. Sein zentrales Thema bildet die „innere“ Regionalisierung und Differenzierung des Heimat- und Territorialdiskurses in der kaschubisch-pommerschen Bewegung und Kultur des 20. Jahrhunderts. Dadurch konzentriert sich die Forschung nicht auf die kaschubische ethnisch-sprachliche Bewegung im engeren Sinne, sondern sie bezieht deren stark regionalistische, über die Grenzen der ethnischen Gruppe hinaus offene Komponente mit ein. Gefragt wird danach, wie einzelne Teile und Orte im Kontext verschiedener Heimatvorstellungen ausdifferenziert werden: Welche strukturellen, geografischen, kulturellen und historischen Aspekte wurden zu einer Regionalisierung der Heimat benutzt, mit welchen Symbolen, Werten, Funktionen, Zeichen und sonstigen Konnotationen wurden sie in Verbindung gebracht und welche Identifikationsfunktionen übernahmen sie im Kontext des kaschubisch-pommerschen Diskurses? Wie wird ihre Entitativität begründet? Dabei stehen eher langfristigere Tendenzen im Vordergrund des Interesses.

Das Kernanliegen des Vorhabens wird mit der Perspektive der Geschichtskultur im weiteren Sinne kombiniert. Dabei wird gefragt, wie die diskursiven Regionalisierungsprozesse durch Geschichtsrezeption getragen und mitgestaltet wurden, wie also die „endogenen“ kaschubisch-pommerschen Regionalitäten durch den Geschichtsdiskurs untermauert wurden und in welchem identifikatorischen sowie funktionalen Bezugsrahmen sie als Regionalitäten verortet wurden.

Der chronologische Schwerpunkt liegt auf der Zeit vom Anfang des 20. Jahrhunderts (Formierung der jungkaschubischen Bewegung) bis in die 1960er Jahre (neue Institutionalisierung und Übergang zur regionalistischen kaschubisch-pommerschen Formel), also über die Zäsuren von 1914/18 und 1939/45 hinweg, mit einem Ausblick auf die weiteren Dekaden des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Kaschubei, Pommerellen/Pommern und die Kaschuben gelten in dem Projekt als heuristischer und empirischer Konkretfall, an dem Fragen transregionaler und komparativer Forschung untersucht werden.


Teilprojekt 1

Regionale Differenzierung, Ethnizität und Geschichtskultur:
Die Kaschubei im 20. Jahrhundert


Bearbeiter: Miloš Řezník

[English description here]

Durch die Pluralisierung und Hybridisierung des Beziehungsgeflechts zwischen kollektiver Zugehörigkeit und persönlicher Identität nimmt in der aktuellen Forschung die Aufmerksamkeit für jene Identifikationsformen zu, die als Übergangs- oder Mischformen traditioneller Typen erscheinen. Vor diesem Hintergrund erfahren Untersuchungen zu europäischen Bewegungen zwischen Territorialität (Regionalität) und Ethnizität in verschiedenen Disziplinen eine deutliche Intensivierung: Aus ehemaligen Marginalfällen und Randerscheinungen werden Themen, an denen neue Potentiale der Erforschung von Identitäts- und Territorialdiskursen und entsprechenden Praktiken erarbeitet werden.


Das Projektvorhaben knüpft an die bisherige Forschung zu Territorialdiskursen und ethnisch-regionalen Bewegungen an und entwickelt sie weiter. Sein zentrales Thema bildet die „innere“ Regionalisierung und Differenzierung des Heimat- und Territorialdiskurses in der kaschubisch-pommerschen Bewegung und Kultur des 20. Jahrhunderts. Dadurch konzentriert sich die Forschung nicht auf die kaschubische ethnisch-sprachliche Bewegung im engeren Sinne, sondern sie bezieht deren stark regionalistische, über die Grenzen der ethnischen Gruppe hinaus offene Komponente mit ein. Gefragt wird danach, wie einzelne Teile und Orte im Kontext verschiedener Heimatvorstellungen ausdifferenziert werden: Welche strukturellen, geografischen, kulturellen und historischen Aspekte wurden zu einer Regionalisierung der Heimat benutzt, mit welchen Symbolen, Werten, Funktionen, Zeichen und sonstigen Konnotationen wurden sie in Verbindung gebracht und welche Identifikationsfunktionen übernahmen sie im Kontext des kaschubisch-pommerschen Diskurses? Wie wird ihre Entitativität begründet? Dabei stehen eher langfristigere Tendenzen im Vordergrund des Interesses.

Das Kernanliegen des Vorhabens wird mit der Perspektive der Geschichtskultur im weiteren Sinne kombiniert. Dabei wird gefragt, wie die diskursiven Regionalisierungsprozesse durch Geschichtsrezeption getragen und mitgestaltet wurden, wie also die „endogenen“ kaschubisch-pommerschen Regionalitäten durch den Geschichtsdiskurs untermauert wurden und in welchem identifikatorischen sowie funktionalen Bezugsrahmen sie als Regionalitäten verortet wurden.

Der chronologische Schwerpunkt liegt auf der Zeit vom Anfang des 20. Jahrhunderts (Formierung der jungkaschubischen Bewegung) bis in die 1960er Jahre (neue Institutionalisierung und Übergang zur regionalistischen kaschubisch-pommerschen Formel), also über die Zäsuren von 1914/18 und 1939/45 hinweg, mit einem Ausblick auf die weiteren Dekaden des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Kaschubei, Pommerellen/Pommern und die Kaschuben gelten in dem Projekt als heuristischer und empirischer Konkretfall, an dem Fragen transregionaler und komparativer Forschung untersucht werden.


Teilprojekt 2

Verräumlichung der Gesellschaft: Wohlfahrtseinrichtungen in Industriestädten Zentraleuropas

Bearbeiter: Zdeněk Nebřenský

Das Projekt beschäftigt sich mit dem Aufbau von Wohlfahrtseinrichtungen in kleinen Industriestädten Zentraleuropas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit den damaligen Diskussionen über die soziale Frage und vor dem Hintergrund der Kritik am Wirtschaftsliberalismus werden die historischen Bedingungen untersucht, unter denen Einrichtungen wie Volksbäder und -küchen, Kommunalwohnungen, Krankenhäuser, Kindergärten oder öffentliche Bibliotheken in kleineren Provinzstädten des Deutschen, Russischen und des Habsburger Reiches aufgebaut wurden. Das Projekt widmet sich der Frage, inwiefern der industrielle Paternalismus, die Sozialgesetzgebung und die Forderungen der Arbeiterbewegung den Aufbau solcher Einrichtungen anregten. Des Weiteren wird danach gefragt, inwieweit der Aufbau dieser Einrichtungen vom Wissenstransfer von West- nach Osteuropa beeinflusst war und wie stark er von den speziellen örtlichen Gegebenheiten geprägt war. Wie passten sich Wohlfahrtseinrichtungen in den städtischen Raum ein? Wie verlief der Aufbau der Einrichtungen? Wie stellten sich die Beteiligten – städtische Beamte, Experten, Unternehmer, Einwohner – Wohlfahrtseinrichtungen als spezifische Räume vor, wie wurden sie wahrgenommen, wie eigneten sich die Menschen diese Räume an?

Das Projekt untersucht den Aufbau von Wohlfahrtseinrichtungen nicht nur als philantropische, paternalistische oder pragmatische Initiative einzelner Unternehmer und Stadtgemeinden, sondern auch im Rahmen der Sozialpolitik des imperialen Staates. Die Relevanz des Projektes besteht darin herauszuarbeiten, ob bzw. welche Synergieeffekte sich durch ein Zusammenwirken zwischen Imperium, Stadt und Privatunternehmen ergaben. Auf einer allgemeineren Ebene soll das Projekt aufzeigen, wie solches Zusammenwirken zum Wandel zentraleuropäischer Städte beitrugen.

Teilprojekt 3

Ermland – Warmia. Zur Longue durée von Regionalisierungsprozessen im 19. und 20. Jahrhundert

Bearbeiter: Ralf Meindl

Die ostpreußische Region Ermland ist keine naturräumlich bestimmte Landschaft, sondern ein Kulturraum, der seit dem späten Mittelalter in den willkürlichen Grenzen des seit 1772 nicht mehr als Verwaltungs- und Wirtschaftseinheit existierenden Fürstbistums Ermland entstand. Aufgrund der starken Identifikation seiner Bevölkerung mit der Region wird es trotz seiner geographischen Heterogenität von Akteuren, Betroffenen und Beobachtern als physische Entität gesehen. Im Ermland werden deshalb bis heute die kulturellen Diskurse von spezifischen Regionalisierungsprozessen bestimmt, denen die politisch-organisatorische Basis, die sie und ihre Dynamik einst erst initiiert hatten, bereits vor 250 Jahren abhandengekommen ist. Für diese Prozesse ist konstituierend, dass sie ihre größte Prägekraft gerade in Abgrenzung und zeitweise sogar im Konflikt mit den bestimmenden politischen, kulturellen und religiösen Kräften des preußischen Staates, zu dem das Ermland von 1772 bis 1945 gehörte, ausbildeten und ihren spezifischen, regionalen und katholischen, Charakter weiterentwickelten. Dabei ist beachtenswert, dass die Bildung der Kulturregion Ermland gleichzeitig stattfand mit der Ausprägung einer ostpreußischen Regionalidentität, derer sich die Ermländer trotz aller Abgrenzungen ebenfalls zugehörig fühlten, sowie eines preußischen und eines deutschen Nationalbewusstseins.
Das Projekt „Ermland – Warmia. Zur Longue durée von Regionalisierungsprozessen im 19. und 20. Jahrhundert“ beobachtet deshalb die Zeit von 1818 bis 1945, in der die ermländische Entwicklung einen Sonderweg innerhalb einer sich kulturell anders orientierenden Gesellschaft bildete und in der der preußische Staat seine Institutionen ausbaute, professionalisierte und durch sie in die Lebensführung seiner Bürger eingriff. Die wichtigsten Turningpoints, die die Regionalisierungsprozesse beeinflussten, bildeten der Kulturkampf und die Auseinandersetzung rund um die Sprachenproblematik zwischen 1871 und dem Ersten Weltkrieg, die Volksabstimmung 1920 sowie die nationalsozialistische Diktatur. An ihnen wird untersucht, inwieweit die Konfrontationen zwischen Staat und Gesellschaft respektive katholischer Kirche auch adaptive und assimilatorische Elemente enthielten und zu mehreren Transformationen der Gesellschaft führten, die in dieser Form von keiner Seite intendiert worden waren, die aber als Ergebnisse dynamischer und äußerst nachhaltiger Regionalisierungsprozesse zu verstehen sind. Die Zäsur 1945 und die ebenfalls von den geschilderten Regionalisierungsprozessen stark beeinflusste Entstehung einer dezidiert ermländischen Vertriebenenkultur in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Rezeption ermländischer Identifikationsmuster durch die neu angesiedelte polnische Bevölkerung soll einen Ausblick bilden.
Ziel des Projektes ist es, diese spezifische Art der Regionalisierungsprozesse, die eine Region in Konfrontation und Kooperation mit ihrer Umwelt erst konstituieren, zu analysieren und ihre Wirkungsweise zu beschreiben. Damit schließt das Projekt zugleich eine Forschungslücke, da sich die Forschung zu Ostpreußen und seinen Regionen bisher stark auf Masuren konzentrierten.

Teilprojekt 4

Zwischen Erholung und Politik. Gestaltung und Wandel touristischer Praktiken im ehemaligen Ostpreußen im 20. Jahrhundert

Bearbeiterin: Dovilė Bataitytė

Das geplante Forschungsprojekt konzentriert sich auf visuelle Darstellungen ehemaliger ostpreußischer Städte im 20. Jahrhundert. Es sollen Präsentationen von Städten analysiert werden, die einerseits visuelle Veränderungen vermitteln, andererseits darüber hinaus auch einen bildlichen Einblick liefern, welche in den städtischen Räumen vorhandene Objekte im Diskurs touristischer Praktiken am häufigsten auftauchten. Ebenfalls werden politische Einflüsse auf diese Prozesse berücksichtigt und gefragt, inwiefern die Freizeitgestaltung politischen Charakter trug. Wer entschied auf welchem Weg und aus welchem Grund über die visuelle Repräsentation städtischer Räume, die dann in Informationsbroschüren, Reiseführern, Handbüchern sowie auf Postkarten dargestellt wurden?

Die Forschung zielt darauf ab, die Frage zu beantworten, wie Städte, die zu ein und derselben Region gehören, durch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen des 20. Jahrhunderts für verschiedene Autoren visueller und textlicher Erzählungen über sie relevant wurden. Wie haben diese Schöpfer der visuellen Darstellungen die Narrative über diese Städte und andere interessante Orte verändert? Die Analyse der Region als verbindendes Element, ihren Wandel sowie Praktiken zur Aufrechterhaltung der lokalen Relevanz werden in dieser Studie einen wichtigen Platz einnehmen. Im 20. Jahrhundert erlebte die ehemalige Region Ostpreußen, wie ganz Europa, große Veränderungen. Der Erste und der Zweite Weltkrieg haben nicht nur die nationalen Grenzen neu gezogen', sondern auch die Art und Weise verändert, wie, warum und wem Städte und Gebiete, die einst zu Ostpreußen gehörten, präsentiert wurden. Die Veränderungen, die auf den Zusammenbruch der Sowjetunion Ende des 20. Jahrhunderts folgten, beeinflussten auch die politische Landkarte Mittel- und Osteuropas sowie die Art und Weise, wie sich die Länder nach ihrer Unabhängigkeit selbst darstellten und wie Städte, die im Laufe eines Jahrhunderts zu mehreren verschiedenen Staaten gehört hatten, öffentlich repräsentiert wurden. Im städtischen Raum hat die Zugehörigkeit zu verschiedenen Staaten und Regionen ihre Spuren hinterlassen – durch verschiedene Symbole, Denkmäler, neue Stadtviertel, Straßennamen. All diese Zeichen haben für die Gesellschaften in der Region eine neue Bedeutung bekommen, da sich die politische Situation verändert hat. Obwohl einige Objekte das ganze 20. Jahrhundert hindurch Teil des Stadtbildes blieben, erfuhr ihre Präsentation eine deutliche Veränderung. Die Untersuchung dieser Transformationen ermöglicht auch eine vergleichende Analyse von Städten, die heute in verschiedenen Staaten liegen, aber zur ehemaligen Region Ostpreußen gehörten.

Geplant ist eine vergleichende Analyse der Städte Klaipėda, Kaliningrad und Olsztyn, die dann ermöglicht, Tendenzen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Prozesse zu beschreiben.

04
Apr
Ausstellung
Bilder des Krieges: Fotoausstellung „Bericht aus der belagerten Stadt Tschernihiw“ in Jena
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