Matthias Melcher, M. A. (München): Ein verschwundenes Mädchen, Pfeile aus der Hussitenzeit und ein Friedhof in Prag. Inszenierung von viralen Storys im Ostmitteleuropa des Langen 19. Jahrhunderts

Wykład

wto. 21.11.2023 | 18:00
Praga

Dass nicht nur Krankheitserreger, sondern auch Geschichten „viral“ gehen können, ist heutzutage eine feuilletonistische Binse. Historische Annäherungen an dieses Phänomen gehen jedochselten über das 20. Jahrhundert hinaus. Dabei stellt das 19. Jahrhundert mit seiner zunehmenden Alphabetisierung und wachsenden Medienlandschaft ein spannendes Untersuchungsobjekt für Verbreitungswege und Effekte von Erzählungen aller Art da.Gerade in Ostmitteleuropa. Denn in einem politisch und kulturell umkämpften Raum ist es besonders relevant zu untersuchen, wessen Narrative verfangen und Menschen mobilisieren.

Der Vortrag geht in diesem Zusammenhang auf einen Aspekt des übergeordneten Dissertationsprojekts „Geschichte(n) schreiben. Fakt, Fiktion und Narration und ihre Wirkmächtigkeit im Osteuropa des 19. Jahrhunderts“ ein: Inszenierung. Einerseits wird thematisiert, wie sich Erzählungen textimmanent in Szene setzen. Andererseits spielt auch die Präsentation eines Narrativs in gedruckten Publikationen, öffentlichen Veranstaltungen oder in persönlicher Kommunikation eine Rolle. Anhand der Erzählung vom Fund der „Königinhofer Handschrift“, der Ritualmordanklage von Tiszaeszlár und der sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ analysiert der Vortrag beispielhaft die Inszenierung von viralen Storys im Ostmitteleuropa des Langen 19. Jahrhunderts.

Matthias Melcher studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Slavistik und Osteuropäische Geschichte. Er ist Doktorand und seit März 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte Ost und Südosteuropas an der LMU München. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nationalstaats- und -literaturbildung in Ostmitteleuropa, Verschwörungstheorien, Storytelling und Öffentlichkeit im Langen 19. Jahrhundert sowie Geschichte im digitalen Spiel. Zuletzt erschien sein Aufsatz Die Erfindung der Nation (alliteratur). Tschechische, polnische und belarusische literarische Fälschungen im 19. Jahrhundert.

21. November 2023, 17:00 Uhr
Veranstaltungsort: Valentinská 1, 3. Stock
Matthias Melcher, M. A. (München)
Ein verschwundenes Mädchen, Pfeile aus der Hussitenzeit und ein Friedhof in Prag. Inszenierung von viralen Storys im Ostmitteleuropa des Langen 19. Jahrhunderts

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