Die ungleiche Entwicklung der Regionen in der Vormoderne: Das "jüngere Europa" im trans- und interkontinentalen Netzwerk

Tagung

Do. 04.11.2021 | 10:00 -
Sa. 06.11.2021 | 18:00 Uhr
Dr. Zdeněk Nebřenský
PD Dr. Dariusz Adamczyk
Prag

Die ungleiche Entwicklung ist als Kluft zwischen den hochentwickelten, industrialisierten Ländern und den agrarischen, vorwiegend Primärprodukte erzeugenden Ländern definiert. Dabei weisen Historiker schon seit Jahren darauf hin, dass die auf der Welt herrschende Ungleichheit aus Strukturgegebenheiten erwächst, die sich sehr langsam herausbilden und ebenso langsam verwischen (F. Braudel). Sie sind demzufolge nicht erst die Konsequenz der Industriellen Revolution, sondern begegnen durchaus in vormodernen Gesellschaften. 

Wie aber entstehen Ungleichheiten und in welchen Bereichen kommen sie zum Ausdruck? Sind sie das Ergebnis einer Ungleichzeitigkeit der Entwicklung zwischen verschiedenen Regionen, die teilweise durch geografische Gegebenheiten (Ungunsträume) bedingt ist, und somit eine Konstante der vorindustriellen Gesellschaften? Oder wurden sie erst durch die Interaktionen und Konfrontationen mit ökonomisch und technologisch fortschrittlicheren Strukturen erzeugt? In diesem Falle wären die Ungleichheiten durch äußere Faktoren zustande gekommen. 

Ausgangspunkt der Konferenz ist die Erkenntnis, dass das „jüngere Europa“ (J. Kłoczowski), das im Kern mit Ostmitteleuropa identisch ist, aber in einigen Phasen des Mittelalters den Balkan und die Rus’ einschließt und bis nach Skandinavien ausgreift, bereits seit dem frühen Mittelalter in kontinentale und interkontinentale Interaktionsnetzwerke einbezogen war. Dabei erreichte der Verflechtungsgrad im nordwestlichen Eurasien bereits im 9. und 10. Jahrhundert beachtenswerte Dimensionen. Besonders zwischen etwa 900 und 950 liefen die Silberminen in Usbekistan auf Hochtouren, um die Märkte vom Ural bis an den keltischen Rand im Atlantik und von der Krim bis Mittelschweden zu bedienen. 

Dabei bestand die Qualität der Interaktionen nicht allein darin, dass Edelmetalle und Güter kommerzielle Kreisläufe stimulierten. Für die entstehenden Dynastien zu jener Zeit bildete Fernhandel (neben Tributen und Beutegut) die fiskalisch-ökonomischen Grundlagen ihrer Herrschaft. Parallel konvertierten die Eliten der entstehenden Staaten zum Christentum in lateinischer wie orthodoxer Version. Vom 12. bis 15. Jahrhundert fand dann eine tiefgreifende Transformation der Gesellschaft und Kultur statt, die sich in der zunehmenden Entstehung von Städten mit Bürgerrechten, der Neubesiedlung des Landes mit freien Bauern, im Burgenbau, in der Entwicklung des Urkundenwesens, schließlich in der Gründung von Klöstern und Universitäten niederschlug. Dieser Kompetenztransfer erfolgte nun grundsätzlich von West nach Ost. Im späten 14. und 15. Jahrhundert führten die osmanischen Feldzüge zur Eroberung weiter Teile des Balkans, was einen Peripherisierungsprozess dieser Region einleitete. 

Das wirft die Frage auf, inwieweit und in welchen regionalen Bezügen die bereits bestehenden gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungsunterschiede im 9. – 16. Jahrhundert durch Vernetzungen und Interaktionen vertieft oder – im Gegenteil – nivelliert wurden. 

Die Analyse verschiedener Einzelaspekte soll auf der Konferenz anhand ausgewählter Indikatoren und in vergleichender Perspektive erfolgen. Hierzu gehören folgende Bereiche: 

  • Handel und Warenproduktion
  • Monetarisierung und Kommerzialisierung
  • Herrschaft und Landgemeinde
  • Städte und Bürgerrechte
  • Stellung der Bauern
  • Universitäts- und Klosterbildung
  • Imaginierte Ungleichmäßigkeit und Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen 

Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Reise- und Unterkunftskosten werden von den Organisatoren übernommen. 

Tagung des Deutschen Historisches Instituts Warschau, DHI-Außenstelle Prag und des Centre for Medieval Studies, Prague.

Prag, 4.-6. November 2021
Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.

 

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