Wissenschaft im Austausch - Fellowship in den USA

Do. 09.01.2025 | 13:30 Uhr

Dr. Jaromír Mrňka ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DHI Warschau und leitet die Außenstelle in Prag. Vom 29. Oktober bis zum 6. Dezember 2024 absolvierte er im Rahmen eines Fellowships einen Auslandsaufenthalt am Deutschen Historischen Institut in Washington und dessen Außenstelle Berkeley. In einem Bericht auf dem Blog Geisteswissenschaft als Beruf hat er seine Erfahrungen zusammengefasst (Auszug):

Die Vereinigten Staaten im Herbst: Farbenfrohe Wälder, pulsierende Metropolen und ein intensives wissenschaftliches Programm. Genau das erwartete mich, als ich im Oktober 2024 mein Vernetzungsfellowship der Max Weber Stiftung antrat. Von den lebhaften Straßen Washingtons über die kreative Energie New Yorks bis hin zur intellektuellen Tiefe Berkeleys führte mich diese Reise zu neuen Horizonten und ermöglichte wertvolle Begegnungen.

Zwischenstop: New York City

Vom 6. bis 8. November führte mich meine Reise nach New York City, wo ich das Tschechische Zentrum besuchte. Dieses kleine Stück Tschechien im Herzen Manhattans beeindruckte mich mit seiner Energie und seinem Engagement, die tschechische Kultur zu fördern. Besonders spannend war ein Gespräch mit den Verantwortlichen über die Herausforderungen, tschechische Geschichte und Kultur im internationalen Kontext sichtbar zu machen. Gleichzeitig bot die Stadt selbst einen überwältigenden Kontrast: das hektische Treiben, die unzähligen Möglichkeiten und die kulturelle Vielfalt. Es war eine perfekte Umgebung, um über transnationale Identitäten nachzudenken – ein Thema, das auch in meiner eigenen Forschung eine Rolle spielt.

Weiter nach Pittsburgh

Am 15. November hatte ich die Gelegenheit, an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh meinen Vortrag “Queer Urban Underworlds: A Concept & Case Study of Late Socialist Prague” zu präsentieren. Im Seminar von Wendy Goldman und Alissa Klots diskutierte ich die Spannungen zwischen staatlicher Repression und den kreativen Überlebensstrategien marginalisierter Gruppen in der sozialistischen Tschechoslowakei. Besonders faszinierend war das Interesse der Zuhörenden an den Methoden meiner Forschung. Fragen nach den Quellen – insbesondere nach Zeitzeugenberichten und Archivmaterial – eröffneten spannende Diskussionen. Die Resonanz war überwältigend, und die anschließenden Gespräche eröffneten neue Perspektiven auf meine Forschung. Es war ein Moment, der zeigte, wie sehr historische Forschung heute auch als Plattform für aktuelle gesellschaftliche Debatten dienen kann.

Kalifornische Perspektiven: Berkeley

Der letzte Abschnitt meines Fellowships führte mich nach Berkeley, an die Pacific Office des DHI Washington. Vom 18. November bis zum 7. Dezember tauchte ich in die wissenschaftliche Welt Kaliforniens ein. Am 21. November präsentierte ich meinen zweiten Vortrag: “Repressive Realities: State Security, Queer Marginalization, and Urban Underworlds in Late Socialist Prague”. Besonders inspirierend war die Diskussion, die auf meinen Vortrag folgte, da sie nicht nur historische, sondern auch aktuelle gesellschaftspolitische Themen berührte. Wir sprachen intensiv über Parallelen zwischen den Mechanismen der Repression in autoritären Regimen des 20. Jahrhunderts und heutigen Herausforderungen im Umgang mit marginalisierten Gruppen.

US-Geschichte in San Francisco

Ein weiteres Highlight meines Aufenthalts in Kalifornien war mein Besuch des GLBT Historical Society Museum und Archivs in San Francisco. Die beeindruckenden Sammlungen und die gut kuratierte Ausstellung boten mir wertvolle Einblicke in die queere Geschichte der Vereinigten Staaten. Besonders die Dokumentationen zur urbanen queer Community und deren Widerstand gegen Diskriminierung und staatliche Repression waren für meinen Forschungsfokus auf das queer Untergrundleben in sozialistischen Städten von unschätzbarem Wert. Ich konnte nicht nur Inspiration für neue Forschungsperspektiven gewinnen, sondern auch wertvolle Kontakte zu Archivarinnen und Wissenschaftlerinnen knüpfen, die mir künftig bei der weiteren Vertiefung meiner Studien helfen könnten.

Ein Fazit mit Weitblick

Dieses Fellowship war nicht nur eine berufliche Herausforderung, sondern auch eine persönliche Bereicherung. (...) Wenn ich auf diese Zeit zurückblicke, bleibt vor allem die Erkenntnis, dass Wissenschaft ein grenzenloses Abenteuer ist. Ein Abenteuer, das nicht nur im Austausch von Wissen besteht, sondern auch in den menschlichen Begegnungen, die uns inspirieren und voranbringen. Und vielleicht führt mich meine nächste Reise ja wieder über den Atlantik – zu neuen Horizonten und Herausforderungen.

Den gesamten Artikel lesen Sie auf dem Blog der Max Weber Stiftung Geisteswissenschaft als Beruf.

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