Ende des 19. Jahrhunderts war Lwiw eine der am schnellsten wachsenden Städte im Habsburgerreich. Die Bevölkerung war durch viele nationale, soziale und berufliche Grenzen geteilt. Wie spiegelten sich diese Trennlinien in den Wohngewohnheiten der Bürgerinnen und Bürger wider? Was unterschied die Mittelschicht vom Adel?
Nach der gesetzlichen Emanzipation im Jahr 1867 konnten sich Jüdinnen und Juden in allen Stadtteilen niederlassen. Die wohlhabenderen Gemeindemitglieder waren nicht mehr in der Wahl ihrer neuen Wohnorte eingeschränkt, die zuvor unerreichbar waren. Auch der Adel änderte seine Gewohnheiten und zog in die Städte, versuchte aber dennoch, seinen Lebensstil beizubehalten und zahlreiche gesellschaftliche Zusammenkünfte abzuhalten. Das gehobene Bürgertum, das durch Bankiers und Industrielle repräsentiert wurde, versuchte, einen Lebensstil zu pflegen, der Arbeit und Freizeit miteinander verband, wie es der Adel getan hatte.
Schuf dieses nachbarschaftliche Leben in den neu errichteten Vierteln eine eigene, von verschiedenen nationalen und sozialen Gruppen geteilte Stadtkultur? In ihrer Forschung kombiniert die Vortragende statistische Daten aus den Steuerzählungen und Ego-Dokumenten verschiedener Familien aus Lwiw – der Hruschewskis als Vertreter der ukrainischen Intelligenz, der Bogdanowitschs aus dem polnischen Adel und der Liliens, jüdischer Bankiers. Dadurch rekonstruiert sie die Stadt nicht nur als einen Raum der Teilung und Rivalität, sondern auch als einen Raum, der das Entstehen neuer Formen des Zusammenlebens begünstigte.
Vladyslava Moskalets ist promovierte Historikerin, Forscherin am Zentrum für Stadtgeschichte Ostmitteleuropas und Direktorin der Fakultät für Jüdische Studien an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw. Moskalets war Stipendiatin des Galizischen Doktorandenprogramms an der Universität Wien (2013-2016) und Fulbright-Stipendiatin an der Northwestern University in Chicago (2018-2019). 2023 lehrte sie an der University of Illinois in Chicago. Ihre Forschungsinteressen liegen in der galizischen Sozialgeschichte, der jiddischen Literatur und den jüdisch-ukrainischen Beziehungen.
Wir laden herzlich zum öffentlichen Vortrag des DHI Warschau am 4. März 2025 im Muzeum Warszawy ein.
Moderation: Aleksander Łupienko (IH PAN)