Die Postmoderne, die wichtigste Strömung in der Architektur des späten zwanzigsten Jahrhunderts, war mehr als ein Stereotyp mit bonbonfarbenen Fassaden und ironischem Spiel mit Säulen und Giebeln. In diesem Vortrag wird die Postmoderne als eine soziokulturelle Bewegung vorgestellt, die viele Debatten der Zeit untermauerte, einschließlich der Debatten über dichte, funktional gemischte Stadtplanung, sichtbare Historizität oder nationale Identität.
Im kommunistischen Polen entstand die postmoderne Architektur während des Zusammenbruchs des kommunistischen Regimes und der Wellen des politischen Protests. In den 1970er und 1980er Jahren widersetzten sich engagierte Architekten der repressiven Politik und rebellierten gegen die chronische Knappheit von Baumaterialien, indem sie Häuser und Kirchen entwarfen, die eklektische historische Formen und geometrische Massen adaptierten, sich auf traditionelle Typologien stützten und oft auffällige Ornamente aufwiesen.
Der Vortrag diskutiert diese Beispiele der polnischen Postmoderne in einem internationalen Kontext und zeigt die deutlichen Unterschiede zur Postmoderne in Westeuropa oder Nordamerika. In Polen markierte diese neue Architektur den Beginn eines soziopolitischen Wandels und reagierte auf den Wunsch nach historischer Kontinuität, aber auch auf das Bewusstsein von Bruch und Verlust. Die Architekten griffen sowohl auf internationale Einflüsse als auch auf einheimische Traditionen zurück, darunter die Ideen der polnischen Schule des Denkmalschutzes und die seit langem bestehenden national-patriotischen Narrative. Auf diese Weise trugen sie zur Schaffung eines neuen intellektuellen Klimas und einer neuen baulichen Umgebung bei, die bis heute prägend ist.
Wir laden herzlich zum öffentlichen Vortrag des DHI Warschau ein. Am 3. Juni referiert Architekturhistoriker Dr. Florian Urban von der Glasgow School of Art.
Florian Urban ist Professor für Architekturgeschichte an der Glasgow School of Art. Er ist in München geboren und aufgewachsen, hat einen Master-Abschluss in Stadtplanung von der University of California, Los Angeles (UCLA) und einen PhD in Architekturgeschichte und -theorie vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Im Jahr 2018 war er Gastwissenschaftler am Deutschen Historischen Institut in Warschau. Er ist Autor der Bücher Neo-historical East Berlin - Architecture and Urban Design in the German Democratic Republic 1970-1990 (Ashgate, 2009), Tower and Slab - Histories of Global Mass Housing (Routledge, 2012), The New Tenement - Architecture in the Inner City since 1970 (Routledge 2018) und Postmodern Architecture in Socialist Poland - Transformation, Symbolic Form and National Identity (Routledge, 2021). Sein demnächst erscheinendes Buch Form Follows Fuel - 14 Buildings from Antiquity to the Oil Age (Routledge 2025, gemeinsam mit Barnabas Calder) untersucht die Frage der verkörperten und betrieblichen Energie in historischen Gebäuden.