Konferenz „Gewaltkulturen von den Kolonialkriegen bis zur Gegenwart“

Eine diachrone Perspektive auf Gewalt im „langen“ 20. Jahrhundert zu werfen war die Absicht dieser vom DHI gemeinsam mit dem Deutschen Komitee für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Kooperation mit der Universität Potsdam, die ihre Räume zur Verfügung stellte, ausgerichteten Konferenz. Sönke Neitzel (LSE) und Stephan Lehnstaedt hatten Kolleg/innen aus sechs Länder eingeladen, um mit ihnen über die Leitfrage zu diskutieren: gab und gibt es so etwas wie nationale Gewaltkulturen?

Eine diachrone Perspektive auf Gewalt im „langen“ 20. Jahrhundert zu werfen war die Absicht dieser vom DHI gemeinsam mit dem Deutschen Komitee für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Kooperation mit der Universität Potsdam, die ihre Räume zur Verfügung stellte, ausgerichteten Konferenz. Sönke Neitzel (LSE) und Stephan Lehnstaedt hatten Kolleg/innen aus sechs Länder eingeladen, um mit ihnen über die Leitfrage zu diskutieren: gab und gibt es so etwas wie nationale Gewaltkulturen? Nach drei Tagen angeregter Debatten und Vorträge war die Ablehnung dieser These groß. Stattdessen wurde recht deutlich, dass es eher so etwas wie gemeinsame Gewaltpraktiken zu bestimmten Zeiten und bei bestimmten Gegnerkonstellationen gibt. Die Auseinandersetzung von Europäern mit Menschen, denen Inferiorität zugesprochen wurde, zeigte besondere Auswüchse von Grausamkeiten – ob das jetzt die Kolonialkriege vor der Wende zum 20. Jahrhundert waren, die nationalsozialistischen Völkermorde oder aber Praktiken etwa in Vietnam oder Algerien nach 1945. Gerade der Vergleich unterschiedlicher Räume und Epochen zeigte zudem, wie wichtig Performanz der Gewalt sein kann. Inzwischen ist gut erforscht, wie die Täter die verschiedenen „Inszenierungen“ des Mordens wahrnahmen, aber das gilt viel weniger für die Angehörigen der Opfer, die mit bestimmten Tötungsformen gezielt eingeschüchtert oder gedemütigt werden sollten. Wenn die europäischen Expeditionskräfte im „Boxeraufstand“ Chinesen enthaupteten, weil das als dortige Art der Gewalt galt, die von den Einheimischen auch verstanden werde. In diesem Sinne wäre auch Gegengewalt zu untersuchen, die mit einer Adaption bestimmter Praktiken nicht nur im Kampf gegen Aggressoren, sondern auch bei späteren eigenen Kriegen einherging. Die kontinuierliche Transformation von Kämpfern und Opfern – teilweise unter explizitem Rückgriff auf historische Vorbilder – zeigt sich bis in die Gegenwart, etwa am Beispiel des ehemaligen Jugoslawien oder den Fällen Afghanistan, Tschetschenien und Ostukraine, die ebenfalls in den Blick kamen und reichlich Material für künftige Kulturgeschichten der Gewalt liefern.

24
Apr
Tagung
Longue duree der Regionalitäten
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