Vortrag Christian Lübkes über den Frieden von Bautzen von 1018 und die Instrumentalisierung von Millennien im 20. und 21. Jahrhundert

Der breiten Öffentlichkeit, aber selbst manchem Fachhistoriker ist der Friede von Bautzen, der sich 2018 zum tausendsten Male jährt, kaum ein Begriff. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen. Der Leiter des Leipziger Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) und Mittelalterhistoriker Christian Lübke erläuterte in seinem Dienstagsvortrag vom 27. Februar 2018 unter dem Titel „Ein neues Millennium. Der Friede von Bautzen 1018 und seine überregionale Bedeutung“ die politischen und dynastischen Zusammenhänge und die komplexe Vorgeschichte des Friedens, den Kaiser Heinrich II. und der Piastenfürst Bolesław Chrobry („der Kühne“) am 30. Januar 1018 im Zentralort der slawischen Milzener schlossen. 

Der Friede von Bautzen beendete die langjährigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Herrschern, deren zentraler Schauplatz die beiden Landschaften Nieder- und Oberlausitz waren, und gab ihnen die Möglichkeit zu neuen Aktivitäten auf anderen Schauplätzen. Doch neben diesem Motiv spielten, wie Lübke erläuterte, auch dynastische Interessen und Machtkämpfe eine große Rolle. Die komplizierten Beziehungen zwischen Ottonen, Ekkehardinern, Piasten, Přemysliden und den Rurikiden in der Kiever Rus’ erläuterte der Vortragende anhand von Primärquellen wie etwa den Chroniken von Bischof Thietmar von Merseburg und Gallus Anonymus. 

Neben dem historischen Ereignis und seinem politischen Umfeld thematisierte der Vortragende auch den Umstand, dass heutzutage auf mittelalterliche Ereignisse wie den Frieden von Bautzen oftmals unsachgemäß moderne Auffassungen von Nationalität angewandt würden. Er machte dies u.a. am Beispiel der Ergebnisse einer eigenen Internetrecherche zu polnischen, deutschen, ukrainischen und russischen Einträgen zum Stichwort „Friede von Bautzen“ deutlich. Lübke plädierte für eine Schärfung der Begrifflichkeiten: So habe es sich etwa – entgegen einer verbreiteten populärwissenschaftlicher Darstellung – bei den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Heinrich II. und Bolesław Chrobry keineswegs um einen „deutsch-polnischen Krieg“ gehandelt. Zu solchen Geschichtsklitterungen kommt es aber selbst in Fällen, in denen wie im Falle der Gnesener Millenniumsbotschaft der Staatschefs sieben europäischer Staaten vom März 2000 ein mittelalterliches Abkommen in guter Absicht zu einem Akt europäischer Integration stilisiert wird.

Auch in der Diskussion mit dem Publikum kamen Aspekte einer unzulässigen Übertragung moderner Begriffe auf historische Vorgänge oder gar einer Instrumentalisierung von Geschichte zur Sprache. Zudem kam aus den Reihen der Zuhörer der Hinweis, dass der Dauerkonflikt zwischen Heinrich II. und Bolesław Chrobry auch als Kampf um Handelsrouten und kommerzielle Einflüsse gedeutet werden müsse.

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