Prof. Dr. Tanja Penter (Heidelberg): Behinderten- und Krankenmorde unter deutscher Besatzung (1941–1943) in der Ukraine und ihre juristische Aufarbeitung

Vortrag

Mo. 25.03.2019 | 17:00 Uhr
Vilnius

In Zusammenarbeit mit der Universität Vilnius
Veranstaltungsort: Universität Vilnius, Fakultät für Geschichte, Raum 211

Im November 1943, kurz nach der Befreiung der besetzten sowjetischen Gebiete durch die Rote Armee, wurden in einer ehemaligen Kolonie für behinderte Kinder in der Region Saporishia drei Massengräber mit 144 Leichen entdeckt. Die behinderten Insassen waren in zwei Massenmordaktionen von deutschen SS- und Wehrmachtseinheiten im Oktober 1941 und im März 1943 erschossen worden. Im Zuge der Untersuchungen des Falles durch den sowjetischen NKVD wurden sieben ehemalige sowjetische Mitarbeiter der Kolonie, darunter vier Frauen, vor Gericht gestellt und als Mittäter verurteilt. Die Ermittlungsakte stellt in vielerlei Hinsicht eine faszinierende historische Quelle dar: Erstens geht es um einen kaum erforschten Kontext der NS-Verbrechen in der besetzten Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg: die Ermordung behinderter Menschen. Zweitens zeigt die Überlieferung konkurrierende Logiken und Handlungsmöglichkeiten der sowjetischen Angeklagten auf. Drittens steht der Fall exemplarisch für den Umgang der sowjetischen Nachkriegsjustiz mit  Kollaborateurinnen. Und viertens werden in gewissem Maße auch Probleme der sowjetischen Behindertenpolitik in der Vor- und Nachkriegszeit sichtbar. Abschließend wird zudem der Umgang mit dem Verbrechen in der aktuellen ukrainischen Erinnerungskultur diskutiert.

Tanja Penter ist seit Oktober 2013 Professorin für Osteuropäische Geschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zu ihren Arbeitsgebieten zählen die Geschichte Russlands, der Ukraine und der Sowjetunion im 19. und 20. Jahrhundert. Zuletzt erschien: Kohle für Stalin und Hitler. Leben und Arbeiten im Donbass 1929-1953 (Essen 2010).

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