Vielfältige Einblicke in Alltagssituationen des 20. Jahrhunderts boten die Präsentationen der Historiker/innen und Soziolog/innen aus acht europäischen Ländern, die während einer zweieinhalbtägigen Konferenz (20.–22. Februar 2019, DHI Außenstelle Vilnius) vorgestellt und diskutiert wurden. Vorwiegend handelte es sich dabei um Promotionsprojekte, deren Fragestellungen mehrheitlich in der Phase des Zweiten Weltkriegs, der frühen Nachkriegszeit bzw. der Zeit des Staatssozialismus angesiedelt sind.
Wie in der vorausgegangenen Paneldiskussion herausgearbeitet, zeigte sich auch anhand der dargebotenen Vorträge, dass alltagsgeschichtliche Ansätze oft als unpolitische thematische Alternative zur klassischen Politik- und Gesellschaftsgeschichte begriffen werden, mit der im methodischen und theoretischen Bereich keine besonderen Konsequenzen verbunden werden.
Vor diesem Hintergrund ließ sich eine gewisse Zweiteilung der Konferenzbeiträge in stärker theoretisch und eher deskriptiv angelegte Vorträge konstatieren. In letzteres Verständnis passten sich etwa die Darstellungen über Wohnformen in der Litauischen Sowjetrepublik (Viltė Janušauskaitė), Kleingartensiedlungen (Matas Šiupšinskas) oder die sanitären Zustände im Nachkriegspolen (Ewelina Szpak) ein. Sie boten interessante „Guckkastenbilder“ in die vergangene Zeit des Sozialismus, ließen aber Fragen zu möglichen Freiräumen, politischen Dimensionen und eventuellen Kontextualisierungen unbeantwortet. Einen anderen Zugang wählten einige Doktoranden, die das von Alf Lüdtke geprägte Konzept des „Eigen-Sinns“ verfolgten. In ihren Projekten zu Sport und Alltag im besetzten Elsass (Jan Hassink), zu Sport, Gewalt und Alltag im besetzten Oberschlesien (Martin Borkowski-Sarushan) oder zu deutsch-französischen Begegnungen im Tübingen der Nachkriegszeit (Ann-Kristin Glöckner) vermochten sie auf diese Weise Widersprüchlichkeiten und Mehrdeutigkeiten aufzuzeigen. Insofern lässt sich als Fazit der Tagung formulieren, dass ein weiterer intensiver grenzüberschreitender Diskurs zu Methoden und Fragestellungen der Alltagsgeschichte erwünscht, hilfreich und notwendig ist.
Alltagsgeschichte des 20. Jahrhunderts
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