Netzwerke bestimmen seit alters her das Leben und die Handlungsmöglichkeiten von Menschen. Mit diesem Begriff und durch die Anwendung verschiedener Methoden, darunter der mathematisch-statistischen Verfahren der sogenannten Graphentheorie, können viele historische Phänomene beschrieben und analysiert werden. Basierend auf geeigneten, idealerweise seriellen Quellen, lassen sich Netzwerkmodelle erstellen, deren Struktur bzw. Strukturwandel Rückschlüsse auf dahinterstehende historische Phänomene ermöglicht. Es handelt sich hierbei um personale Netzwerke der Händler oder Adeliger, die sich untereinander verschwägerten und vielfältige Geschäftsbeziehungen anknüpften, um räumliche Netzwerke der Handelsorte und ihrer Straßen und Seeverbindungen, schließlich um Netzwerke von Dingen (etwa Münzen), die sich im archäologischen Fundgut widerspiegeln.
Die Tagung möchte diese verschiedenen Formen von Netzwerken mit Schwerpunkt auf Ostmitteleuropa diskutieren und hierbei den Fokus auf ein bisher weniger erforschtes Problem richten, die Diskonnektivität. Hierunter verstehen wir die Störung oder gar den Zerfall von Netzwerkstrukturen, wie sie etwa im Verschwinden bestimmter Handelsgüter oder dem Abreißen sozialer und kommunikativer Beziehungen zwischen Räumen oder Personen erkennbar sind.
In erster Linie soll die Frage erörtert werden, wo Zerfallsphänomene greifbar und wie sie zu erklären sind. Wo möglich, sollte auch die Perspektive der Zeitgenossen berücksichtigt werden: Waren sie sich dieser Netzwerke und ihrer Transformationen bewusst? Inwieweit konnten sie Verund Entflechtung beeinflussen? Versuchten sie eventuell Zerfallstendenzen entgegenzuwirken, und wenn ja, wie? Schließlich: Wie wirkte sich der Zerfall von Netzwerkstrukturen auf gesellschaftliche, ökonomische oder politische Strukturen aus?
Tagung am DHI Warschau am 9./10. November 2023
In Kooperation mit Universität Jena und IAE PAN