Herrschaft und Herrschaftsbetrachtung im 12. und 13. Jahrhundert in Europa

In der Reihe „Quellen und Studien" des Deutschen Historischen Instituts Warschau ist im Harrassowitz-Verlag der Sammelband „Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik“ erschienen.

Der Sammelband geht zurück auf eine Konferenz am DHI Warschau im Jahre 2011. In den 22 hier versammelten Beiträgen geht es darum, systematische Einblicke in die Reflexion der Ausübung und Legitimation politischer Macht im hochmittelalterlichen Europa vorzunehmen. Neben einer methodisch reflektierenden Einleitung (Grischa Vercamer) sowie drei Aufsätzen, die das Spannungsverhältnis von Macht und Herrschaft in der Chronistik des 11. und 12. Jahrhunderts allgemein in Europa ansprechen (Joachim Ehlers, Hans-Werner Goetz, Norbert Kersken), werden Fragen zur Politik bzw. zum Verständnis konkreter hochmittelalterlicher Herrscher sowie – dichotomisch angeordnet – ihre Darstellung in historiographischen Texten in zehn historischen Herrschaftsräumen (jeweils paarweise pro Land) dargelegt, um hierdurch zu einer größeren europäischen Vergleichsebene zu gelangen. Der Grundgedanke dabei war, dass spezifische politische Ausgangssituationen in den jeweiligen historischen Ländern den jeweiligen Chronisten eine spezifische, ganz eigene Darstellung ihrer Herrscher abnötigten. Die miteinander korrespondierenden Paar-Artikel betreffen das staufische Reich (Claudia Garnier, Heinz Krieg), das Polen des 12. Jahrhunderts in der Chronik des Vincenz Kadłubek (Grischa Vercamer, Sławomir Gawlas), das französische Königtum (Georg Jostkleigrewe, Julian Führer), die ungarische Chronistik und Hagiographie im 12./13. Jahrhundert (László Veszprémy, Dániel Bagi), das England des 12. Jahrhunderts (Björn Weiler, Alheydis Plassmann), Böhmen (Martin Wihoda, Marie Bláhová), Dänemark (Thomas Foerster, Mia Münster-Swendsen), die byzantinischen Chroniken von Johannes Kinnamos, Anna Komnene und Nikeas Choniates (Małgorzata Dąbrowska, Ralph-Johannes Lilie), die normannischen Chroniken von Gaufredus Malaterra und Hugo Falcandus (Julia Becker) und das Heilige Land bzw. den Vorderen Orient mit den Chroniken von Wilhelm von Tyrus und Usama ibn Munqidh (Marie-Luise Favreau-Lilie, Kay Peter Jankrift). Dieser vergleichende Zugriff auf historiographische Konzeptionen und ihre Beziehung zu und Darstellung und Spiegelung von politischer Herrschaft ist in dieser Breite bisher nicht unternommen worden und versteht sich als Anregung zu weiteren Forschungen über realgeschichtliche Bindungen und politische Normvorstellungen in der vormodernen Geschichtsschreibung.

Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik (Quellen und Studien des Deutschen Historischen Instituts, Bd. 27), hrsg. von Grischa Vercamer und Norbert Kersken, Harrassowitz Wiesbaden 2013. ISBN 978-3-447-06886-4. 491 S., 98 €.

29
Apr
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