Wir trauern um unseren Kollegen

Dr. Christian Domnitz (1975 – 2015)

Völlig unerwartet ist unser Kollege Christian Domnitz in Warschau verstorben. Erst im Oktober dieses Jahres war er als Langzeitgastforscher ans Deutsche Historische Institut gekommen, wo er im Forschungsbereich „Diktatur und Fremdherrschaft im Zeitalter der Extreme“ tätig war. In diesen wenigen Wochen wurde Christian Domnitz uns zu einem geschätzten Arbeitskollegen. In wissenschaftlichen Diskussionen wie auch im persönlichen Gespräch verstand er es, mit seiner aufmerksamen und zugewandten Art inspirierende Fragen zu stellen und hilfreiche Anregungen zu geben.
Obwohl Christian Domnitz zur jüngeren Historikergeneration gehörte, erwarb er sich bereits große Anerkennung als Spezialist in der neueren und neuesten Geschichte Ostmitteleuropas. Schon während seines Studiums der Geschichte, Politikwissenschaft und Volkswirtschaft an der Humboldt-Universität Berlin und an der Karlsuniversität Prag (1995–2003) kristallisierten sich seine späteren Forschungsinteressen heraus. In seinen frühen Arbeiten wandte er sich vor allem der tschechischen Geschichte zu. In seiner Magisterarbeit widmete er sich der Problematik der so genannten Beneš-Dekrete in den Debatten des Europäischen Parlaments und des tschechischen Abgeordnetenhauses im Vorfeld des tschechischen EU-Beitritts. Bei diesem Thema, das damals eine große politische Brisanz hatte, stellte Christian Domnitz seine Begabung als Forscher wie als Autor historischer und politikwissenschaftlicher Texte unter Beweis. Dass er angesichts des konfliktträchtigen Gegenstands den richtigen Ton traf, zeigt die fast zeitgleiche Veröffentlichung der Monografie in Deutschland und Tschechien.
Erst vor wenigen Monaten erschien sein Buch „Hinwendung nach Europa. Neuorientierung und Öffentlichkeitswandel im Staatssozialismus (1975–1989)“ in der von Wolfgang Schmale herausgegebenen Reihe „Herausforderungen“. Es geht auf seine 2011 an der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder verteidigte Dissertation zurück, in der Christian Domnitz Europa-Konzepte und Europa-Repräsentationen in Volkspolen, der Tschechoslowakei und der DDR analysierte. Dabei nahm er sowohl offizielle als auch oppositionelle Vorstellungen in den Blick.
Während seiner Promotionszeit erhielt Christian Domnitz mehrere Forschungsstipendien, etwa am Deutschen Historischen Institut Warschau (2008) oder am Zentrum für Vergleichende Europäische Studien der Universität Köln (2010–2011). In den Jahren 2007 bis 2011 war er am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam tätig, anschließend bis zu seinem Wechsel nach Warschau an der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) in Berlin. Neben den erwähnten Publikationen verfasste Christian Domnitz zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze, Essays, Rezensionen, Vorträge und Übersetzungen aus dem Tschechischen und ist Mitherausgeber der Bandes „Europa im Ostblock. Vorstellungen und Diskurse 1945–1991“ (Köln 2008, zus. mit José Maria Faraldo und Paulina Gulińska-Jurgiel).
Parallel zu seiner wissenschaftlichen Laufbahn schloss Christian Domnitz eine publizistische Ausbildung ab und arbeitete mehrere Jahre als freier Mitarbeiter für den Berliner Tagesspiegel. Sein wissenschaftliches Wirken hat Christian Domnitz auf seiner Webseite www.christian-domnitz.eu vorgestellt.

Mit Bestürzung haben wir von Christian Domnitz‘ plötzlichem Tod erfahren. Wir verlieren mit ihm einen geschätzten Kollegen und einen hervorragenden Wissenschaftler. Seiner Familie sprechen wir unser herzliches Beileid aus.

Für die Leitung und Mitarbeiter des DHIW
Miloš Řezník, Institutsdirektor
Sabine Stach, Sprecherin der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

06
May
Vortrag
Prof. Dr. Laura Hindelang (Bern): Tracing Women's Architectural Roles in the 1800s: The Case of Marianne of Prussia
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