Official History in Eastern Europe. Transregional Perspectives

Was lässt sich unter “Official history” verstehen? Die Veranstalter der Konferenz, Andrii Portnov (Forum Transregionale Studien Berlin), Korine Amacher (Universität Genf) und Miloš Řeznik (Deutsche Historisches Institut Warschau) gehen von einer weit gefassten Definition aus. Sie interessieren sich für staatliche Standpunkte zur Geschichts- und Gedenkpolitik und wie sie heute funktionieren, bestehen aber auch darauf, die Perspektiven der historischen Wirksamkeit einzubeziehen. Die internationale Tagung, organisiert vom Deutschen Historischen Institut Warschau in Kooperation mit der Universität Genf und dem Forum Transregionale Studien Berlin, unterstützt von der Deutschen Botschaft Warschau, der Schweizer Botschaft Warschau, der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission und dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung hatte zu der Diskussion dieser und weiterer Fragen vom 13.–14. Juni 2018 eingeladen. Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Litauen Österreich, Polen, Russland, Schweden, der Schweiz und der Ukraine trafen sich hier, um die Entwicklung der “Memory Studies” zu diskutieren und sich über neue Einblicke in die transregionale Osteuropaforschung und ihre postkommunistischen Transformationen auszutauschen. Dabei konzentrierten sich die Beiträger auf die Beschreibung der gegenwärtigen Situation, verfolgten aber auch jüngste sowjetische sowie vorsowjetische Erfahrungen und analysierten ebenfalls Dynamiken postsowjetischer Erinnerungspraktiken und -wahrnehmungen. Drei Panel befassten sich mit den staatlichen Institutionen der Erinnerungspolitik (State Institutions of Memory Politics), moderiert von Paul Gradvohl, Geschichtsbüchern für den Schulunterricht (School Textbooks on History), moderiert von Barbara Törnquist-Plewa und  Erinnerungsorten und deren Funktionalität (Memorial Sites and Their Usages, moderiert von Felix Ackermann). Die Spannbreite der Themen reichte von der Funktionalität der Schlacht von Poltava (Viktoriia Serhiienko) über die Rolle der Ukrainer in russischen Schulbüchern im Kontext des gegenwärtigen russisch-ukrainischen Konflikts bis zur Instrumentalisierung der Kriegsgeschichte in der gegenwärtigen Erinnerungspolitik in der Ukraine (Olesya Khromeychuk).  

Geschichtsum-bzw. neuschreibung als institutionelle Politik wurde anhand einer Fallstudie der Abteilung für internationale Geschichte des Polnischen Instituts für internationale Angelegenheiten in den Jahren 1947–1972 von Estelle Bunout präsentiert. Ein anderes Beispiel dafür bot Eric Aunoble, der die Wandlung der Parteigeschichte an der Kiewer Abteilung des Marx-Engels-Lenin-Instituts 1945–1949 nachzeichnete.

Ergänzt wurden die Panel durch eine von Ewa Dąbrowska moderierte Abenddiskussion, während der sich Krzysztof Ruchniewicz, Denys Shatalov, und Alvydas Nikžentaitis äußerst lebhaft über Museen als offizielle und inoffizielle Orte der Erinnerungspolitik im postsozialistischen Europa (Museums as (Un)official Sites of Memory Politics in Post-Socialist Europe) austauschten.

Die Tagung fand ihren Abschluss mit einem offenen Abendvortrag von Marcin Napiórkowski, der noch einmal die Frage stellte, ob die Geschichte wirklich Mythen benötige und Hinweise darauf gab, wie man in einer Welt von Pop-Memory, Pseudowissenschaft und Fake News überleben könne.

29
Apr
Vortrag
Prof. Dr. Karsten Brüggemann (Tallinn): A Transnational Perspective on the Baltic Wars of Independence
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