Der imperiale Schatten Ostpreußens. Die Rolle von Nationalsozialisten aus Königsberg, Tilsit und Allenstein bei der Annexion polnischer Gebiete

Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 spielte der Gau Ostpreußen bei der Besatzung, Annexion und Plünderung der Gebiete um Suwałki, Białystok, Grodno sowie im Norden von Masowien eine zentrale Rolle. Von Erich Koch eingesetzte Landräte bauten in diesen Gebieten eine Zivilverwaltung nach ostpreußischem Vorbild auf. Funktionäre von NSDAP, SS, SD und Gestapo errichteten ein System der Unterdrückung, Ausbeutung und Ermordung zehntausender polnischer Bürger.

Während eines eintägigen Workshops am 13. Oktober 2018 im Rahmen des Mendelsohn-Festivals in Olsztyn, den das DHI Warschau in Kooperation mit der Stiftung „Borussia” sowie dem Zentrum für Lehrerfortbildung CDN Olsztyn organisierte, wurde die Bedeutung Ostpreußens für die deutsche Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Im Mittelpunkt standen die Rolle ostpreußischer Beamten und Funktionäre sowie die Funktion der Angehörigen der Zivilverwaltungen, die ab Herbst 1939 im „Kreis Sudauen“ (Suwałki) und im „Regierungsbezirk Zichenau“ (Nordmasowien) den deutschen Besatzungsalltag organisierten. Dieser brachte für die Einwohner Verhaftungen, Folter, Erschießungen, Zwangsarbeit und andere Repressionen. Besonders betroffen waren die polnischen und litauischen Juden, deren offene Verfolgung bereits mit dem Einmarsch der Wehrmacht begann und im Sommer 1942 in die „Aktion Reinhardt“ mündete, die zum Mord an fast allen jüdischen Einwohnern führte. Ostpreußische Funktionäre mit Erfahrung bei der „Pazifizierung von Suwalken“ spielten eine wichtige Rolle bei der Errichtung des „Bezirks Bialystok“ im Sommer 1941. Dieser wurde zwar nicht vollends in das Deutsche Reich eingegliedert, aber systematisch an das System der Zivilverwaltungen in Ostpreußen angepasst.  

Der Workshop richtete sich an Lehrerinnen und Lehrer sowie an andere Interessierte. Er diente unter anderem dazu, aktuelle Forschungen zur deutschen Besatzungspolitik in Ostpreußen, Polen, Litauen und Belarus zusammenzuführen. Eine anschließende Diskussion, die zunächst in Gruppen und später auf dem Podium geführt wurde, widmete sich der Frage, was die Ergebnisse des Workshops für die Erinnerungskultur der heutigen Wojewodschaft Ermland und Masuren bedeuten.

24
Apr
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