Genderperspektive in der Sozialgeschichte

In einem gemeinsam mit dem Neritonverlag publizierten Sammelbandpräsentiert das Deutsche Historische Institut eine Reihe zentraler Aufsätze zum Thema Geschlechter- und Frauengeschichte der renommierten deutschen Wirtschafts historikerin Karin Hausen in polnischer Übersetzung.

Im Mittelpunkt des aus sieben Beiträgen bestehenden Sammelbandes steht die Nutzbarkeit des Geschlechtsterminus als historische Kategorie in der Sozialgeschichte der Neuzeit. Es wird untersucht, wie in verschiedenen Epochen die jeweilige Geschlechterordnung die gesellschaftliche Realität gestaltet hat. Karin Hausen dekonstruiert einige der in der Geschichtsschreibung bestehenden Mythen: z.B. den Mythos über die emanzipatorische Rolle der Erfindung der Nähmaschine für die Frauen; so zeigt sie nachhaltig, dass die Nähmaschine zwar einen technologischen, aber nicht einen sozialen Fortschritt mit sich gebracht hat, denn bei der Herstellung von Kleidung und Wäsche mit Hilfe der Nähmaschine handelte es sich um Saisonarbeit zu Niedriglöhnen, die ausschließlich von Frauen verrichtet wurde. Des weiteren wird in den Essays gezeigt, wie die unreflektierte Anwendung von gesellschaftspolitischen Konstruktionen wie public-private sphere zu einer weiteren Verfestigung  geschlechterspezifischen Stereotypen beigetragen hat.

Daneben thematisieren die Beiträge eingehend den Aspekt der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung, die auch heutzutage noch als ein universales Prinzip der gesellschaftlichen Arbeitsteilung gilt. Nach diesem Prinzip liegt die Zuständigkeit für die Versorgung kleiner Kinder, für die Zubereitung der Mahlzeiten und für die Herstellung und Reinigung von Kleidern ausschließlich bei Frauen, während die Rolle des Familienernährers den Männern zugeordnet wird. Eine solche geschlechterspezifische, als “natürlich” angesehene normative Zuordnung von Tätigkeiten führte, so Hausen, zur Tradierung der existierenden Geschlechterhierarchie, und zur Konditionierung von Frauen und Männern bereits in früher Kindheit und habe später die unterschiedliche Eingruppierung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zur Folge gehabt. Die Autorin plädiert in ihren Essays dafür, die Geschlechtskategorie nicht ausschließlich als Instrument zur Analyse der Frauengeschichte anzuwenden, sondern diese ebenfalls auf die ganzheitliche historische Analyse der sozialen Verhältnisse zu übertragen.

Karin Hausen, Porządek płci. Studia historyczne, [Klio w Niemczech, Band 16], Warszawa 2010, 229 S., 28 zł, ISBN 978-83-7543-176-6

07
Okt
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